Die Gesundheitsminister der Länder vereinbarten am Montag bei einer Schaltkonferenz mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, dass die im Zuge der Corona-Krise eingeführte Maskenpflicht in Deutschland vorerst weiter gelten soll. Die interessante Begründung dieser Entscheidung lautete: Es dürfe nicht der falsche Eindruck entstehen, die Pandemie sei vorbei. Entsprechend äußerten sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Spitzenpolitiker der sogenannten Großen Koalition.
Diesen Kurs der Politik flankierend führen zahlreiche "Qualitätsmedien" einen erbitterten Kleinkrieg gegen die sogenannten "Maskenverweigerer", gegen jene Menschen also, die das Tragen der Maske aus verschiedenen Gründen ablehnen oder zu lax handhaben. Schon lange wird dabei nicht mehr über Pro und Contra der Mund-Nasen-Bedeckung in der gegenwärtigen Lage debattiert. Vielmehr geht es darum, den Betreffenden nur noch wahlweise ihre Integrität oder ihre Vernunft abzusprechen.
Ein Kommentar im Berliner Tagesspiegel trug Ende Juni den bemerkenswerten Titel: "Maskenverweigerer, ich verachte euch zutiefst". Der Nutzen der Masken sei erwiesen, Verweigerer seien "hochgradig antisozial":
Maskenverweigerer verdienen keine Toleranz, auch keine Geduld mehr, sondern Konsequenzen. Ab Samstag drohen endlich 50 Euro Bußgeld.
Leider würde zu wenig kontrolliert, also rät der Kommentator den Lesern gleich noch, die "Verweigerer" selbst anzusprechen und sie auf die angeblich verheerenden Folgen ihres Tuns hinzuweisen:
Vermutlich hilft da nur eines: die Verweigerer selbst anzusprechen und ihnen klarzumachen, dass sie sich schämen sollen. Dass Typen wie sie die Pandemie verlängern, teuer erkaufte Erfolge im Kampf gegen das Virus zunichte machen und Menschenleben gefährden. Dass sie niemals wissen werden, welche Infektionsketten sie losgetreten, welche Oma (sie, Anm. d. Red.) durch ihre Rücksichtslosigkeit auf dem Gewissen haben.
Deutlich wissenschaftlicher gab sich in dieser Woche ein Kommentar bei Spiegel.de. Doch die Schlussfolgerung war genau dieselbe. Gewissermaßen als Kronzeugen zitierte der Autor einen Schaffner, dessen Äußerung ihm von einer Kollegin berichtet worden sei:
Wegen mir müssen Sie Ihre Masken nicht aufsetzen. Es geht hier nicht um irgendeine bescheuerte Schikane der Deutschen Bahn, sondern um Ethik. Sie schützen Ihre Mitmenschen und sich selbst. Das nicht zu tun, ist asozial.
In eine andere Kerbe schlug die Zeitschrift tip, die sich selbst als "Berliner Stadtmagazin" bezeichnet. "Endlich Bußgeld für Idioten", hieß es in einem Kommentar vom Montag. Das Nichtmaskentragen wird hier mit mangelnder Intelligenz erklärt. Hauptverantwortlich für den Autor: "die Männer"
Nun lässt sich beobachten, wie viele das nicht kapieren. Diese Vielen sind vor allem Männer. Grob geschätzt sind 80 bis 90 Prozent aller, die ihre Maske mal eben so über die Fresse gezogen bekommen und nicht weiter, Männer. Vielleicht hat das was mit toxischer Männlichkeit zu tun oder dem Willen, den Starken zu markieren.
Dabei seien sich doch "ernsthafte Wissenschaftler mehrheitlich einig" über den Nutzen des Maskentragens. In der Folge wettert der Autor nicht nur gegen die "Komplettversager*innen", sondern auch gegen Bild und ostdeutsche Ministerpräsidenten, die eine Lockerung der Bestimmungen angeregt haben, und bedient wohl damit auch Feindbilder des typischen tip-Lesers. Am Ende erklärt der Kommentator die Maskenverweigerung noch einmal mit geistiger Armut und – interessant genug – mit materieller Übersättigung:
Aber im Ernst: Wenn Erwachsene sich mehr dagegen wehren, eine Maske zu tragen, als Kinder gegen Spinat und Brokkoli statt Chicken Nuggets, ist das vor allem Ausdruck einer infantilen Geistes-Tristesse. Und einer satten Gesellschaft, der es im Schnitt so gut geht, dass selbst minimale Einschnitte – aufgrund einer internationalen Pandemie! – als Aushebung des Grundgesetztes gewertet und mit aller Macht bekämpft werden müssen.
Auch Tagesschau.de wirbt mit Verve für das Beibehalten der Maskenpflicht. Ein Kommentar mit der Überschrift "Die Maske bleibt auf!" verzichtet immerhin ganz auf Beschimpfungen und das Denunzieren der Verweigerer. Dafür konzentriert er sich auf den angeblichen Nutzen einer Maske und die anhaltende Bedrohung durch das Virus – und gibt damit präzise die Linie der Regierung wieder:
Es gibt derzeit weder eine Impfung noch Medikamente, die uns immun machen oder heilen könnten. Bis sich das ändert, müssen wir auf die wenigen Mittel setzen, die uns zur Verfügung stehen, um uns und die Menschen um uns herum so gut es geht zu schützen.
Auch in den sozialen Netzwerken finden sich zahlreiche Kommentare, die Forderungen nach einer Lockerung der Maskenpflicht als unverantwortlich und dumm abqualifizierten. Andere bezweifelten die Wirksamkeit der Maske und nannten eine Maskenpflicht für alle angesichts weniger Tausend "Infizierter" unangemessen. Ein Nutzer erklärte das verbissene Festhalten an der Maskenpflicht so:
Die Maske ist nur ein Symbol. Fällt sie, fällt auch das Narrativ der "Pandemie nationaler Tragweite".
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