Altbundeskanzler Gerhard Schröder soll am Mittwoch vor der öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages zum Thema "Sicherung der Souveränität deutscher und europäischer energiepolitischer Entscheidungen" vorsprechen. Eingeladen hatte ihn der Linken-Politiker und Ausschussvorsitzende Klaus Ernst, was in der Partei nicht nur auf Zustimmung stieß.
"Die Einladung von Ex-Kanzler Schröder durch den Kollegen Klaus Ernst ist ein unnötiges Eigentor, auf allen Ebenen falsch und an Peinlichkeit nicht zu überbieten", kritisierte etwa der Energie- und Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin. Aufgrund seiner Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident von Nord Stream 2 und seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin steht Schröder insbesondere in den USA in der Kritik und gilt natürlich in dieser Frage nicht als unbefangen.
Das Thema der Veranstaltung ist aber die Sicherung der deutschen und europäischen Souveränität vor extraterritorialen Sanktionen der USA, und da sieht Ernst in Schröder als ehemaligen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland durchaus einen Experten auf diesem Gebiet.
Es geht um die Frage, wie sich Deutschland und andere Staaten angesichts der weiteren Sanktionen verhalten sollen, die der US-Kongress vorbereitet. Mit dem "Protecting Europe's Energy Security Clarification Act" will man in Washington doch noch die Fertigstellung der Nord Stream 2-Pipeline verhindern, nachdem die bereits beschlossenen Sanktionen den Abschluss zwar verzögert, aber nicht verhindert haben. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte damals:
Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA. Eingriffe von außen und Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung lehnen wir grundsätzlich ab.
Die Bundesregierung erachtet Nord Stream 2 als wichtigen Teil der nationalen Energiesicherheit, und man habe "nicht die Absicht zurückzuweichen", meinte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Bundestag Mitte Dezember. Die erste Runde der Sanktionen hat das freilich nicht verhindert, und es gab auch keinerlei Konsequenzen Deutschlands oder der EU.
Was der Kongress aber jetzt vorbereite, sei ein "breit angelegter, ungerechtfertigter Angriff auf die europäische Wirtschaft und ein nicht hinzunehmender Eingriff in die EU-Souveränität und die Energiesicherheit Westeuropas", heißt es in der Erklärung Schröders. Die USA zielten mit den Sanktionen nicht etwa auf Russland, sondern auf europäische Unternehmen und damit auch auf europäische Arbeitsplätze.
Wirtschaftsstrafen gegen einen NATO-Alliierten während der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rezession sind nichts anderes als ein bewusstes Aufkündigen der transatlantischen Partnerschaft.
Der Altkanzler rechnete vor, dass durch die Sanktionen "Investitionen von zwölf Milliarden Euro in europäische Infrastruktur" gefährdet und die Folgekosten für die Steuerzahler enorm wären.
Dabei geht es nicht nur um die unmittelbaren Kosten. Es steht für Deutschland und die EU viel mehr auf dem Spiel als der Verlust von Investitionen. Es geht darum, ob man sich in Berlin und Brüssel gegen die US-amerikanische Bevormundung bei Fragen der Souveränität stellen wird oder ob man erneut (siehe Iran-Abkommen und extraterritoriale Sanktionen für europäische Unternehmen, die mit dem Iran Geschäfte machen) vor dem großen Druck aus Washington einknicken wird.
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