Mitarbeiter des Onlinehändlers Amazon haben mit Beginn der Nachtschicht von Sonntag auf Montag nach Angaben der Gewerkschaft verd.di an mehreren Standorten die Arbeit niedergelegt. Streiks hätten in Bad Hersfeld und Koblenz, in Rheinberg und Werne sowie in Leipzig begonnen, teilte die Gewerkschaft am Montag mit. Über die Wirkung der Streiks gab es zunächst unterschiedliche Auskünfte.
Amazon erklärte: "Was wir derzeit sehen, ist, dass die Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz normal arbeiten. Auswirkungen auf unsere Abläufe sehen wir aktuell keine, so dass Kundenbestellungen ganz normal bearbeitet werden."
Von Gewerkschaftsseite gab es zunächst noch keine Angaben zur Beteiligung insgesamt, im Logistikzentrum in Rheinberg legten laut verd.di aber etwa 400 bis 450 Beschäftigte ihre Arbeit nieder. In Leipzig erwartet die Gewerkschaft am Montag etwa 400 bis 500 Streikende. An anderen Standorten sei noch nicht abzusehen, wie viele Amazon-Mitarbeiter sich beteiligen, hieß es am Morgen.
Die Gewerkschaft fordert den Abschluss eines Tarifvertrags, um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten abzusichern. Zudem verlangt verd.di in dem seit über sieben Jahren andauernden Tarifkonflikt mit dem Onlinehändler die Anerkennung der regionalen Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels.
Amazon betonte dagegen, die Mitarbeiter erhielten bereits "Löhne am oberen Ende dessen, was für vergleichbare Tätigkeiten gezahlt wird" und hätten ein "sicheres Arbeitsumfeld". "Allein in Deutschland haben wir seit Februar 470 Millionen Einheiten Desinfektionsmittel für die Hände, 21 Millionen Paar Handschuhe, 19 Millionen Masken, Gesichtsschilder oder anderen Mund-Nase-Schutz und 39 Millionen Packungen desinfizierende Wischtücher bestellt", sagte ein Sprecher.
Dem Unternehmen zufolge gibt es unter anderem eine Maskenpflicht an allen Standorten, zudem habe man Temperaturkontrollen und gestaffelte Schicht- und Pausenzeiten eingeführt sowie die Reinigung verstärkt. Die Gewerkschaft sieht das jedoch anders. In einer Pressemitteilung übt der ver.di-Bundesfachgruppenleiter Einzel- und Versandhandel, Orhan Akman, scharfe Kritik:
Die Gesundheit der Beschäftigten wird bei Amazon in fahrlässiger Weise der Profitgier untergeordnet, auch und gerade während der Corona-Pandemie.
Viele Beschäftigte berichteten von fehlenden Abstandsvorkehrungen und zunehmenden Fällen von Corona-Positivtestungen. "Corona zeigt dabei nur die Spitze des Eisbergs. Gesundheitsschutz wird aber auch sonst nicht groß geschrieben bei Amazon", wirft Akman dem Onlinehändler vor.
Mit Beginn der Pandemie etwa habe der Onlinegigant einen befristeten Gehaltsaufschlag von zwei Euro für jede geleistete Arbeitsstunde in Aussicht gestellt. Mit dieser Neureglung hätten sich viele Beschäftigte unter Druck gesetzt gefühlt, auch krank zur Arbeit zu kommen. "Das genau war das Ziel von Amazon: Auspressen, wo es geht", bewertet Orhan Akman die mittlerweile ausgelaufene Konzernregelung.
Aktuell versucht Amazon, an mehreren Standorten Sonntagsarbeit durchzusetzen. "Obwohl Sonntagsarbeit dem Konzern in Gerichtsurteilen bereits wiederholt untersagt worden ist, versucht Amazon nun, die Verbote durch die Hintertür zu unterlaufen und die Arbeitsschichten so zu ändern, dass die Nachtschichten früher beginnen. Die Beschäftigten müssten dementsprechend bereits am Sonntagabend zur Arbeit erscheinen, wenn sie für die Nachtschicht eingeplant sind", so Akman weiter.
Dafür seien Beschäftigte auch unter Druck gesetzt worden, ohne Bedenkzeit eine entsprechende Änderung ihrer Arbeitsverträge zu unterzeichnen, wie zum Beispiel am Standort in Winsen (Luhe). "Solche Arbeitsbedingungen machen krank und wir werden sie nicht hinnehmen", erklärte Akman. Bundesweit hat Amazon 13 Logistikstandorte mit rund 13.000 Festangestellten.
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