Seit dem Corona-Skandal um "Schweinebaron" Clemens Tönnies stehen Billigpreise für Fleischprodukte im Supermarkt sowie die Arbeitsbedingungen in der Industrie (erneut) massiv in der Kritik. Die große Mehrheit der Bürger in Deutschland spricht sich einer Umfrage zufolge für eine schärfere Regulierung von Schlachtbetrieben aus, selbst wenn dadurch die Preise steigen.
92 Prozent der Befragten würden schärfere Gesetze befürworten, wie aus dem am Freitag veröffentlichten aktuellen ZDF-Politbarometer hervorgeht. Allerdings glauben wiederum nur 55 Prozent der Befragten, dass die Bürger generell bereit seien, mehr Geld für Fleisch auszugeben.
Nun herrscht im Ministerium von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) rege Betriebsamkeit. Auch die Ministerin will nun, dass Fleisch künftig teurer werde. Daher blies Klöckner für diesen Freitag in Düsseldorf zum großen Stelldichein von CDU-Amtskolleginnen aus Nordrhein Westfalen und Niedersachsen, Vertretern der Fleischbranche, der Ernährungswirtschaft, des Lebensmittelhandels und Beschäftigten in der Fleischbranche. Auch Verbraucherschützer seien demnach geladen.
Bereits vor dem sogenannten "Branchengipfel" zur Nutztierhaltung und Situation in der Fleischindustrie legte Klöckner vor und stellte einen Preisanstieg von 40 Cent pro Kilogramm Fleischprodukte und 2 Cent für tierische Produkte wie Milch und Milchprodukte in den Raum. Die zusätzlichen Mittel der sogenannten "Tierwohlabgabe" könnten dann in den Umbau von Ställen und Initiativen für mehr Nachhaltigkeit in der Fleischbranche fließen.
Mir geht es nicht darum, dass Fleisch und Wurst Luxusprodukt für Reiche werden sollen, aber eine Alltags-Ramschware wird auch aus ethischen Gesichtspunkten dem nicht gerecht. Tiere sind nicht irgendeine Ware, sondern Mitgeschöpfe. Und da gehört auch Wertschätzung dazu", so Klöckner über ihren Vorstoß.
Zudem werde man sich für eine europaweite "Tierwohlkennzeichnung" einsetzen.
Ich bin auch für bessere Kennzeichnung, dass man auch erkennen kann in den Kantinen, in der Gastronomie, wo was herkommt. Wir brauchen mehr Tierwohl, und das soll auch mit einer staatlichen Kennzeichnung geschehen", so Klöckner weiter.
Die nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) spricht derweil von der Notwendigkeit eines "Umbruchs".
Die Zukunft wird sicherlich anders aussehen, als die Gegenwart aussieht", prophezeite Heinen-Esser am Freitag beim Radiosender WDR 5.
Im Interesse von Mitarbeitern, Landwirten und Tieren müsse es dringend Änderungen geben. Allerdings betonte die Ministerin auch, wie schwierig es sei, in einem eingespielten System Veränderungen herbeizuführen:
Der Handel wird sicherlich schwierig zu überzeugen sein, von Lockvogel-Angeboten abzusehen", so die CDU-Ministerin weiter.
Zuvor hatte Klöckner davon gesprochen, auch Werbung für Dumping-Fleischprodukte untersagen zu wollen.
Derweil üben die Grünen scharfe Kritik an Klöckners Fleischgipfel. So werde laut der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast die von Klöckner angekündigte "Neujustierung der Tierhaltung" nicht ausreichen. Vonnöten sei der "Umbau" der gesamten Tierhaltung, erklärte Künast auf Twitter. Überhaupt handelt es sich laut den Grünen um eine reine "Showveranstaltung".
Tausende Corona-Infizierte in den Schlachthöfen, miserable Arbeits- und Wohnbedingungen, leidende Tiere sowie Menschen, die wütend sind, weil sie die Folgen dieser Politik ausbaden müssen: Die Landwirtschaftsministerin scheint den Ernst der Lage nicht begriffen zu haben", war der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter zuletzt überzeugt.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund kann dem Gipfeltreffen nicht viel abgewinnen. So erklärte Anja Piel, Mitglied des DGB-Vorstands, dass "in letzter Minute" und erst "auf Nachhaken" auch die genannten Vertreter der Beschäftigten in der Fleischbranche zum illustren Treffen eingeladen worden seien. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) erklärte Piel, dass eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der Fleischbranche offenbar nicht im Vordergrund stehen solle.
Zudem fordert Piel eine gesetzliche Regelung für die Abschaffung der Werkverträge in der Fleischbranche.
Nur so bekommen wir die Probleme ansatzweise in den Griff, die durch jahrelangen Missbrauch entstanden sind", betonte die Gewerkschafterin.
Derweil spricht Sahra Wagenknecht von der Linkspartei angesichts des Fleischgipfels von einem "zynischen Ablenkungsmanöver der Union" und fordert ebenfalls ein Ende der Werkverträge.
Fleischgipfel von Klöckner ist zynisches Ablenkungsmanöver der Union! Statt Verbraucher zur Kasse zu bitten müsste #CDU sich mit ihren Sponsoren aus der Fleisch- & Agrarlobby anlegen und Ausbeutung über #Werkverträge & #Subunternehmen sofort verbieten", forderte Wagenknecht in den sozialen Medien.
Ein Kabinettsbeschluss der Bundesregierung sieht vor, Werkverträge ab dem 1. Januar 2021 zu untersagen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Maßnahme jedoch vorziehen.
Gegenstimmen aus der Unionsfraktion argumentieren jedoch, dass ein Verbot von Werkverträgen nur in einer Branche nicht zielführend sei. Zudem sei ein solcher Schritt "verfassungsrechtlich höchst bedenklich", so CDU-Fraktionsvize Gitta Connemann gegenüber der NOZ.
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