Die Bundesregierung erwägt in Sachen Nord Stream 2 offenbar ein koordiniertes Vorgehen der EU gegen mögliche neue US-Sanktionen. Die Informationen stammen nach Angaben der US-Nachrichtenseite Bloomberg von zwei deutschen Beamten, die in die Angelegenheit eingebunden sein sollen.
Laut den Beamten, die in dem Bericht nicht namentlich genannt werden, könnten neuerliche Zwangsmaßnahmen das Projekt ernsthaft gefährden. Die von Trump verhängten Maßregelungen im Dezember 2019 hatten schon für eine Verzögerung der Arbeiten geführt, da ein Schweizer Unternehmen aus Furcht vor den US-Sanktionen sein Rohrverlegeschiff abgezogen hatte.
Gleichzeitig warnen die Beamten laut Bloomberg davor, die Reaktion Deutschlands und der EU zu radikal ausfallen zu lassen. Jede Reaktion, einschließlich Sanktionen, müsse sorgfältig abgewogen werden, schreibt Bloomberg unter Verweis auf die Beamten. Da sich Trumps Umfragewerte vier Monate vor den US-Präsidentschaftswahlen im Sinkflug befänden, könne Trump auch frühe Drohungen, wie zum Beispiel höhere Einfuhrzölle gegen deutsche Autos, nun in die Tat umsetzen.
Bei einer Kundgebung letzte Woche in Tulsa, Oklahoma, hatte Trump gesagt, Deutschland sei "säumig" bei den Verteidigungsausgaben und schicke "Milliarden" an Wladimir Putin. "Wir sollen Deutschland vor Russland schützen, aber Deutschland zahlt Russland Milliarden von Dollar für Energie aus einer Pipeline", so Trump. "Entschuldigung, wie soll das funktionieren?"
Um die EU für ein gemeinsames Vorgehen zu gewinnen, weist Deutschland in einem Schreiben des Wirtschaftsministeriums offenbar darauf hin, dass die Gangart der USA neu sei und wesentlich mehr deutsche und europäische Unternehmen sowie Banken und staatliche Behörden treffen könne, wie Bloomberg berichtet.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier warnte Anfang des Monats vor der Rechtmäßigkeit von weiteren Zwangsmaßnahmenund machte deutlich, sie einen neuen Tiefpunkt in den transatlantischen Beziehungen markieren könnten.
"Die Bundesregierung ist seit Langem der Auffassung, dass Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung im Widerspruch zum Völkerrecht stehen und nicht dazu beitragen, die internationale Zusammenarbeit voranzubringen", sagte Altmaier am 12. Juni vor Medienvertretern in Berlin. "An dieser Position hat sich nichts geändert."
Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie zu Nord Stream 2-Sanktionen diskutierte in einer Sitzung am 17. Juni über mögliche Gegenmaßnahmen. Der Ausschussvorsitzende Klaus Ernst von der Linkspartei sagte, die Parteien seien sich einig, dass die US-Maßnahmen gegen das Völkerrecht verstießen.
"Die Regierung ist aufgerufen, Vorschläge für eine maßvolle, klare Reaktion im Namen Deutschlands und der Europäischen Union zu entwickeln und vorzulegen", sagte Ernst in einer Erklärung nach der Tagung.