In der Berateraffäre des Verteidigungsministeriums sehen FDP, Grüne und Linke eine erhebliche Mitverantwortung der früheren Ressortchefin Ursula von der Leyen. Das "faktische Komplettversagen" des Verteidigungsministeriums im Umgang mit Beratung und Unterstützung sei "nicht nur ein Problem der Arbeitsebene, sondern auch Dr. von der Leyen zuzurechnen", heißt es in einem gemeinsamen Sondervotum der drei Fraktionen zu den Erkenntnissen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
Die Sondervoten waren aus Sicht der Opposition nötig geworden, weil der Abschlussbericht der Regierungsfraktionen Union und SPD ihrer Ansicht nach zu zahm ausgefallen war. Insbesondere die damalige Ministerin kam in dem Bericht glimpflich davon – auch, was die Löschung von Daten auf ihrem Diensthandy anging.
Nach Einschätzung von FDP, Grünen und Linken ist ein finanzieller Schaden in Höhe eines höheren zweistelligen Millionenbetrags entstanden. Im Unterschied zur Opposition hatten CDU/CSU und SPD in ihrem Abschlussbericht keine juristischen oder direkten politischen Vorwürfe gegen die CDU-Politikerin formuliert. Von der Leyen – heute Präsidentin der EU-Kommission – hatte wiederholt Fehler bei der Auftragsvergabe eingeräumt, eine persönliche Verantwortung dafür aber von sich gewiesen.
Dagegen sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann am Dienstag, die frühere Verteidigungsministerin trage sehr wohl eine politische Verantwortung. "Die Laufmasche fällt immer von oben nach unten", betonte sie. Von der Leyen sei dafür verantwortlich, dass sie das Ministerium "sperrangelweit" für Berater geöffnet habe, dass es keine Kontrolle gegeben habe, dass die Strukturen nicht aufgearbeitet worden seien. "Ich glaube schlichtweg, dass sie sich auch übernommen hat."
"Sie hätte es wissen können und sie hätte es wissen müssen", sagte auch der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner. "Nichtwissen entlässt nicht aus Verantwortung." Künftig müssten Beraterverträge rechtskonform vergeben, ihre Notwendigkeit genau geprüft und Transparenz gegenüber dem Parlament hergestellt werden. Auch müsse sichergestellt werden, dass private Beziehungen zwischen Beratern und Ministeriumsmitarbeitern keine Rolle spielen. Es werde immer wieder externe Beratung geben. Dann seien aber bestimmte Regeln einzuhalten, "damit nicht Steuergeld verbrannt wird".
Der Linke-Abgeordnete Matthias Höhn sagte, von der Leyen hätte aufgrund dieser Vorgeschichte gar nicht EU-Kommissionspräsidentin werden dürfen. Dass sie keine Verantwortung übernommen und es keine Konsequenzen für sie gegeben habe, schlage auf die Politik insgesamt zurück. "Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie es nicht laufen darf, wenn man Vertrauen der Bürger wiederherstellen will."
Im Jahr 2018 hatte der Bundesrechnungshof in einem Bericht Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit des Beratereinsatzes im Ministerium stark angezweifelt. Daraufhin hatten FDP, Linke und Grüne den Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss eingesetzt. Konkret ging es um Vorwürfe von unkorrekter Auftragsvergabe bis hin zu Vetternwirtschaft. Der Einsatz externer Berater hat allein in von der Leyens Amtszeit einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet.
(rt/dpa)