Der Publizist Roland Tichy ist auch in zweiter Instanz mit seiner Klage gegen Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) vor Gericht gescheitert. Roth hatte Tichy im Oktober 2019 in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen neurechten Plattformen zugeordnet, "deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht". Tichy hatte dagegen auf Unterlassung geklagt. Der Antrag war im Februar vom Landgericht Stuttgart zurückgewiesen worden. Diese Entscheidung bestätigte nun das Oberlandesgericht (OLG) nach eigenen Angaben vom Mittwoch.
Die Äußerung sei nach ihrem Aussagegehalt und dem Kontext, in dem sie gefallen sei, nicht als Tatsachenbehauptung einzustufen, sondern als Meinungsäußerung, entschied der 4. Zivilsenat des OLG. Aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich für einen unvoreingenommenen Durchschnittsleser, dass die Äußerung Roths insgesamt eine Meinungsäußerung darstelle, die von den Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens der Beklagten geprägt sei.
Der ehemalige Chefredakteur der Magazine Impulse und Euro sowie der Wirtschaftswoche Roland Tichy betreibt seit 2016 das Onlinemagazin Tichys Einblick. Er müsse sich als Akteur der öffentlichen Meinungsbildung auch überspitzte Äußerungen wie die von Roth gefallen lassen, hatte das Landgericht geurteilt. Die Grünen-Politikerin hatte in dem Interview gesagt:
Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht – von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs.
Der in dem Zitat ebenfalls erwähnte Henryk M. Broder war bereits zuvor vor Gericht gescheitert. Die sofortige Beschwerde Broders gegen Roth hatte keinen Erfolg, erklärte eine Sprecherin des OLG am 8. Mai. Der Beschluss sei im schriftlichen Verfahren Ende April ergangen und nicht öffentlich verhandelt worden. Aufgrund dessen nannte sie keine Details dazu.
Auch hier wurde ebenso argumentiert wie bei Tichy: Der Senat habe Roths Äußerungen als zulässige Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung eingestuft. Der Zivilsenat des OLG Dresden habe dabei auch auf mehrere Texte Broders verwiesen. Dieser habe Roth unter anderem als "Doppelzentner fleischgewordene Dummheit" bezeichnet, "was unschwer als 'Hetze' eingestuft werden könne, auch wenn der Antragsteller insoweit das Privileg einer lediglich 'farbenfrohen Darstellung' für sich in Anspruch nimmt", zitierte die Augsburger Zeitung.
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