Nach einer Häufung von Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben gerieten die schlechten Arbeitsbedingungen mit Subunternehmern und Sammelunterkünften mit vielen osteuropäischen Beschäftigten stark in die Kritik. So war die rumänische Arbeitsministerin im Auto nach Berlin gereist, nachdem sich in dem südosteuropäischen Land das Virus durch die aus den unwürdigen Unterbringungen in Deutschland zurückgekehrten Arbeiter ausgebreitet hatte.
Das war auch Thema der Sendung hart aber fair in dieser Woche, wo unter anderem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zu Wort kam. Der betonte, dass dieser Praxis Einhalt geboten werden müsse, schließlich schade es auch dem Ansehen der Republik in anderen europäischen Ländern.
In der Tat, so der DLF-Journalist Manfred Götzke, können die Arbeitswilligen in Rumänien sich nicht vorstellen, dass sie in einem Land wie Deutschland derart entrechtet werden.
Gleichzeitig ging es in der Sendung um das sogenannte "Tierwohl", von dem angesichts der Produktionsweise gar keine Rede sein kann, da Unmengen an Fleisch auf billigste Weise produziert werden, samt tonnenweise lebendigem Überschuss, der dann wie Müll ungenutzt weggeworfen wird. Robert Habeck, Parteichef der Grünen, bezeichnete die Problematik als Geschäftsmodell, das vorsätzlich in Deutschland eingeführt wurde, womit durch Dumpingpreise Betriebe in Ausfuhrländern keine Chance auf fairen Wettbewerb haben, während in skandinavischen Ländern beispielsweise in Schlachtbetrieben nach Tarif entlohnt werde. Der CSU-Abgeordnete Max Straubinger, der unter anderem durch zahlreiche Nebentätigkeiten in der Landwirtschaft sowie Versäumnisse, diese anzumelden, bekannt ist, widersprach dem und meinte, dies sei eben der Markt, wie er funktioniere.
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Die Journalistin und studierte Volkswirtin Anette Dowideit hingegen bezeichnete die Problematik, dass das besondere Schutzbedürfnis beider in der Branche betroffenen Gruppen, Mensch und Tier, missachtet würde, als deutliches Marktversagen.
Organisierte Verantwortungslosigkeit
Die verschachtelte Konstruktion mit verschiedenen Subunternehmen ist die Wurzel des Problems", meinte Heil in der Sendung und bezeichnete diese als "organisierte Verantwortungslosigkeit".
Er hatte sich im Mai für die Durchsetzung von Arbeits- und Sozialstandards bei Werkverträgen ausgesprochen "Ich sage, es ist Zeit, in diesem Bereich aufzuräumen. Das werden wir auch miteinander tun", so der SPD-Politiker Ende Mai im Bundestag bei einer ersten Debatte zu neuer EU-Regeln für die Arbeitnehmerentsendung in deutsches Recht.
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Bei einem Werkvertrag vergeben Unternehmen Arbeiten an andere Firmen, die sich um die komplette Ausführung kümmern. Wie Anette Dowideit in der ARD-Sendung sagte, unterscheidet sich die Entlohnung von Subunternehmen stark von der direkter Angestellter. So zahle die Fleischindustrie an einen Subunternehmer beispielsweise für einen Zerleger nominell den Mindestlohn von gerade einmal 9,35 Euro die Stunde, wohingegen eine Direktanstellung erfordern würde, dem Arbeiter über 13 Euro zu zahlen.
Doch auch in anderen Branchen gebe es Lohndumping und schlechte Bedingungen, sagte Heil. Künftig solle das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" gelten.
Allerdings hatte Heil in der ARD-Sendung auf die Androhung von Klagen aus der Fleischindustrie aufgrund von Diskriminierung – sofern nicht auch in anderen Branchen wie Logistik aufgeräumt würde – entgegnet, dass die Handhabe der Gesetzgeber auch vom Standort der Firmen abhänge.
Mit der Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie sollen entsandte Arbeitnehmer nicht mehr nur Anspruch auf den Mindestlohn, sondern auch auf den Tariflohn aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen haben. Hinzu kommen Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen. Nach zwölf oder in Ausnahmen auch erst 18 Monaten sollen dann alle in Deutschland vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen gelten.
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Der FDP-Abgeordnete Carl-Julius Cronenberg bemängelte, Deutschland wolle die neuen Vorgaben schärfer umsetzen, als auf EU-Ebene beschlossen. Osteuropäische Arbeitnehmer drohten damit, die Aussicht auf lukrativere Jobs in Deutschland zu verlieren. Grüne und Linke kritisierten die Pläne hingegen als nicht schlagkräftig genug. 88 Prozent der ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland profitierten nicht, weil sie nicht langfristig entsandt seien, sagte die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke. "Das ist eine Nebelkerze." Wie sie bemängelte auch die Linke, dass kein Verbandsklagerecht geplant sei und geprellte Arbeitnehmer weiterhin allein vor Gericht ziehen müssten.
Die AfD beschrieb den europäischen Binnenmarkt als gescheitert. Es blieben riesige Unterschiede zwischen den Staaten, die neue Richtlinie sei unnötig kompliziert. Unionsvertreter betonten unter anderem, gute Aufklärung über die neuen Standards sei wichtig.
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Geplante Maßnahmen
Das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch soll ab dem 1. Januar 2021 nur noch mit Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Dafür Werkverträge zu vergeben – also die komplette Ausführung von Arbeiten bei anderen Firmen einzukaufen –, wäre dann tabu. Heil erläuterte, dies ziele auf industrielle Fleischwerke, auch von großen Handelsketten und Familienunternehmern – aber zum Beispiel nicht auf kleinere Handwerks-Schlachtereien oder Wurstbestellungen von Verbrauchern im Supermarkt. Für die Fleischbranche unterbunden werden soll nun, dass Firmen Kernbereiche ihrer Tätigkeit auslagern.
Heil strebt eine Überwachungsoffensive auch mit dem Zoll und Ordnungs- und Gesundheitsämtern in bestimmten Branchen an – darunter sollen auch Erntehelfer sein. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, die Behörden über Wohn- und Einsatzorte ausländischer Arbeitskräfte zu informieren. Auch eine Pflicht zur digitalen Erfassung von Arbeitszeiten ist geplant. Bei Verstößen sollen dann höhere Bußgelder drohen. Den Rahmen dafür will Heil von 15.000 Euro auf 30.000 Euro anheben.
Aus der Wirtschaft kam scharfer Protest. Angeblich dulde man keine Verstöße und Mängel in Hygiene, Arbeitsschutz und Unterbringungssituation, so die Arbeitgeberverbände. Es sei aber inakzeptabel, wenn Mängel einzelner Firmen missbraucht würden, erfolgreiche und flexible Instrumente wie Werkverträge abzuschaffen. Heil verteidigte seine Pläne: Auch in anderen Branchen gebe es wegen besonderer Gefährdungen strengere Regeln. Er plane derzeit allerdings nicht, das Thema Werkverträge auch woanders anzugehen. Die Linke forderte dies und verwies auf ähnliche Strukturen am Bau und bei Gebäudereinigern.
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