Der Massenausbruch des Coronavirus nach privaten Feiern mehrerer Großfamilien zieht in Göttingen weitere umfangreiche Maßnahmen nach sich. So werden ab sofort bis einschließlich kommenden Sonntag alle Schulen in der Stadt und einige im Landkreis sowie fünf Kindergärten geschlossen bleiben. Auf diese Weise versucht die Stadt, den Ausbruch einzudämmen.
Mittlerweile über 100 bestätigte Infektionen
Zuvor war bekannt geworden, dass die Zahl der nachweislich Infizierten mittlerweile auf 105 gestiegen ist. Gestern waren es noch 68. Eine Person sei weiterhin schwer erkrankt und müsse beatmet werden, weitere zwei Personen seien ebenfalls in stationärer Behandlung, teilte die Stadt mit. Die Zahl der Betroffenen könne sich laut Aussage der Leiterin des Krisenstabs in Göttingen, Petra Broistedt (SPD), aber noch erhöhen, denn es stünden noch Testergebnisse aus. Unter den bestätigten Fällen sind derzeit auch 24 Kinder. Mehr als 300 Personen aus Göttingen, ganz Niedersachsen sowie Thüringen und Nordrhein-Westfalen, die mit den Positiv-Getesteten in Kontakt waren, wurden inzwischen ermittelt.
Eltern und Schulleiter in Göttingen sind verärgert über die angeordneten vorläufigen Schulschließungen. Der Leiter der Neuen Integrierten Gesamtschule Göttingen, Lars Humrich, sagte am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur:
Es ist erschreckend, dass es Menschen gibt, die meinen, für sie gelten die Regeln nicht oder für sie wären die Regeln unter bestimmten Umständen außer Kraft gesetzt.
Für die Kinder und Jugendlichen bedeute die neuerliche Schließung aller Schulen in Göttingen eine weitere Verunsicherung. Der Stadtelternrat unterstützt die Entscheidung. "Wir haben selbst die Schließung der Schulen gefordert", sagte der Vorsitzende Janek Freyjer dem Sender Hit Radio FFH. "Das ist das kleinere Übel, als mit einem Infektionsgeschehen umgehen zu müssen, das nicht mehr unter Kontrolle zu bringen wäre." Für die Verstöße gegen die Corona-Regeln hat er aber kein Verständnis. "Die Eltern sind unglaublich sauer, dass einige so unverantwortlich handeln." Nach der Wiederaufnahme des Unterrichts soll es laut der Stadt in den Schulen eine zweiwöchige Maskenpflicht geben.
Feiern der Großfamilien hatten zum muslimischen Zuckerfest stattgefunden
Die Feiern der Großfamilien hatten am 23. Mai zum muslimischen Zuckerfest stattgefunden. Dazu reisten auch Gäste aus anderen Teilen des Landes an. Mit dem Fest begehen Muslime das Ende des Fastenmonats Ramadan. Nach Aussage des Oberbürgermeisters Rolf-Georg Köhler gegenüber NDR sei es dabei zu Verstößen gegen Hygiene- und Abstandsregeln gekommen – allerdings nicht in Moscheen, sondern bei "privaten Begrüßungen und Feierlichkeiten". Auch eine illegal geöffnete Shisha-Bar habe eine "nicht unwesentliche Rolle" gespielt, so Göttingens Oberbürgermeister weiter. Dort sollen mehrere Jugendliche an einer Wasserpfeife mit einem Mundstück geraucht haben.
Neben den Schulschließungen sollen auch in dem Wohnkomplex "Iduna-Zentrum", dem Brennpunkt dieses COVID-19-Ausbruchs, Massentests durchgeführt werden. Mehrere Menschen, die an den Feiern teilgenommen haben sollen, leben auch dort.
Es sind dort mehrere große Familienverbände - nicht einer, sondern mehrere - Verursacher dieser Situation", hatte Göttingens Oberbürgermeister am Dienstagabend gesagt.
Im Gebäude am nördlichen Rand der Innenstadt mit 18 Stockwerken und 407 Wohnungen sollen bis zu 700 Menschen wohnen. In den nächsten Tagen sollen sie alle auf das Coronavirus getestet werden. Es handele sich um eine "präventive Maßnahme, um das Infektionsgeschehen besser einschätzen zu können", heißt es in einer Mitteilung der Stadt. "Die konsequente Durchtestung der Wohnanlage ist ein milderes Mittel als eine pauschale Quarantäneanordnung für das ganze Gebäude."
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