Das Ringen der "Großen Koalition" von Union und SPD um ein milliardenschweres Konjunkturprogramm setzt sich fort. Aufgrund substanzieller Differenzen unterbrachen die Spitzen von CDU, CSU und SPD ihre Verhandlungen im Kanzleramt am späten Dienstagabend.
Am Mittwoch soll der Gipfel fortgesetzt werden. Für diesen Tag wird eine Einigung angestrebt. Die Verhandlungen könnten erneut bis in die Nacht gehen.
Aus Teilnehmerkreisen wurde am frühen Mittwochmorgen berichtet, die Gespräche seien "konzentriert und intensiv" verlaufen. Die Stimmung wird als gut und ernsthaft beschrieben. Zahlreiche Elemente des geplanten Programms zur Konjunkturbelebung seien bereits besprochen worden. Am Mittwoch sollten strittige Themen wie das sogenannte Mobilitätspaket und die Hilfen für die Kommunen weiter diskutiert werden.
Ziel des Programms ist die Linderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und des staatlichen Krisenmanagements. Zu Beginn der Verhandlungen lagen etwa 60 Punkte auf dem Tisch, von denen erwartungsgemäß etliche gestrichen werden.
Zu den strittigsten Themen zählen die geplante Prämie für den Autokauf und Hilfen für Kommunen. Aus Sicht der SPD-Spitze darf es keine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor geben. Dies wird nicht nur von der Branche gefordert, sondern auch von Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg, in denen die deutschen Hersteller BMW, VW und Daimler ihren Sitz haben.
Da die Stimme der Niedersachsen in der SPD Gewicht hat, könnte die Parteispitze möglicherweise einlenken. Im Gespräch ist eine Basisprämie in Höhe von 2.500 Euro, die beim Kauf eines Autos gezahlt wird. Beim Kauf eines besonders "umweltfreundlichen" Autos könnte diese Summe noch einmal aufgestockt werden. Die Neuauflage der Abwrackprämie aus dem Jahr 2009 soll nach dem Willen der Union "Innovationsprämie" heißen. Die Wirksamkeit einer solchen Vergütung wird von Experten bezweifelt. Dem Staat dürften Kosten in Höhe von fünf Milliarden Euro entstehen.
Im "Mobilitätspaket" enthalten sein werden auch Fördergelder für die Bahn, den öffentlichen Personennahverkehr, schwere Nutzfahrzeuge, E-Ladesäulen, Schiffe und Flugzeuge. Zur Diskussion stehen außerdem höhere Kfz-Steuern für emissionsstarke Fahrzeuge.
Auch bei den Finanzhilfen für Kommunen wird eine Einigung schwierig: SPD-Finanzminister Olaf Scholz schlägt eine Übernahme kommunaler Altschulden durch den Bund vor, die Union lehnt diese ab. Weil die bayerischen Städte und Gemeinden vergleichsweise gering verschuldet sind, wendet sich vor allem die CSU strikt gegen die Pläne des SPD-Politikers.
Die Union schlägt stattdessen vor, dass der Bund den Kostendruck der Kommunen etwa durch die verstärkte Übernahme der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern senkt und auf seinen Anteil an den Gewerbesteuern verzichtet. Den Kommunen drohen im Zuge der Krise deutlich schwindende Steuereinnahmen. Insgesamt könnte die Entlastung der Städte und Gemeinden den Bund 28 Milliarden Euro kosten.
Leichter dürfte eine Einigung beim sogenannten Familienbonus fallen. Die SPD fordert eine hier Einmalzahlung von 300 Euro pro Kind. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sogar 600 Euro vorgeschlagen, ebenso sein niedersächsischer SPD-Amtskollege Stephan Weil. Möglich ist eine Kopplung dieser Leistung mit der von der CSU geforderten Verdopplung des Steuerfreibetrags für Alleinerziehende. Letztlich dürfte die Union trotz grundsätzlicher Skepsis den Bonus mittragen. Die Kosten dürften bei mindestens vier Milliarden Euro liegen.
Weitgehend einig sind sich die Koalitionäre über Entlastungen beim Strompreis für Unternehmen und Privathaushalte, Hilfen für Schausteller, Solo-Selbstständige oder Künstler sowie steuerliche Entlastungen für Unternehmen. In das Programm aufgenommen werden dürfte auch die Eigenproduktion von medizinischen Gütern und Medikamenten sowie das Anlegen einer Notfallreserve. Gleiches gilt für Investitionen in Krankenhäuser und den Ausbau der Gesundheitsämter.
Das Gesamtpaket könnte nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa ein Gesamtvolumen zwischen 80 und 100 Milliarden Euro haben. Finanziert werden soll dies über neue Schulden. Laut Berechnungen des unternehmernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) für das Springer-Blatt Bild am Sonntag sind seit Beginn der Corona-Pandemie für Deutschland Mehrkosten in Höhe von 192,9 Milliarden Euro entstanden. Weitaus dramatischer noch stellt sich die Lage in den südeuropäischen EU-Mitgliedsstaaten dar.
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