Der scheidende US-amerikanische Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, hat sein Gastgeberland davor gewarnt, seinen Rückzug als ein Zeichen schwindender US-amerikanischer Machtansprüche zu werten. Grenell schrieb am Sonntagabend auf Twitter:
Ihr begeht einen großen Fehler, wenn ihr glaubt, der amerikanische Druck ist weg. Ihr kennt die Amerikaner nicht.
Der Diplomat reagierte mit seinem Tweet auf einen Kommentar des US-amerikanischen Journalisten Noah Barkin, der eine Reuters-Meldung zum Rücktritt Grenells geteilt und mit den Worten kommentiert hatte:
Grenexit. Deutschland stößt einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus.
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Die Nachrichtenagentur dpa hatte am Sonntag berichtet, dass Grenell nach seiner Ablösung als kommissarischer US-Geheimdienstkoordinator der US-Regierung am Dienstag in den nächsten Wochen auch seinen Posten als US-Botschafter in Deutschland räumen werde. Eine offizielle Bestätigung steht noch aus.
Grenell erhielt am Sonntag auf Twitter aber bereits mehrere Abschiedsgrüße, für die er sich zum Teil auch bedankte. Der Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, äußerte sein Bedauern über Grenells Abgang. Der als Transatlantiker geltende Ischinger schrieb auf Twitter:
Das ist überhaupt keine willkommene Nachricht, wenn es bedeutet, dass es in den nächsten 12 Monaten oder mehr keinen US-Botschafter in Berlin geben wird – US-Wahl, Bestätigungsprozess des Senats usw. – und das inmitten mehrerer transatlantischer Krisen?
Der Bild-Redakteur Julian Röpcke schickte Grenell überschwängliche Dankes- und Abschiedsgrüße, in denen er wie nebenbei die deutschen Interessen mit denen der USA gleichsetzte:
Mit Richard Grenell verliert Deutschland einen der besten US-Botschafter in unserem Land überhaupt. Ob es der Druck war, NordStream2 zu stoppen, die (Liebes-)Affären zwischen Deutschland und dem iranischen Regime zu überdenken oder unsere Verteidigungsausgaben zu erhöhen – er war immer auf den Punkt und handelte im bestmöglich US-amerikanisch-deutschen Interesse.
Röpcke erntete mit dieser Huldigung eine kurze Danksagung Grenells – und zahlreiche kritische und auch witzige Kommentare.
Grenell gilt als extrem loyal zu US-Präsident Donald Trump und rühmt sich immer wieder seiner guten Verbindungen ins Weiße Haus. Seine Aufgabe sah er in seinen bisher zwei Jahren als Botschafter vor allem darin, die Politik Trumps in Deutschland und Europa offensiv zu vertreten. Dabei trat er wiederholt undiplomatisch auf und äußerte sich auch über die Angelegenheiten seines Gastlandes. Grenell selbst nennt das "aufrichtig sein".
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Die angeblich zu niedrigen deutschen Rüstungsausgaben kritisierte Grenell im vergangenen Jahr in einem Interview so:
Die deutschen Zusagen, die Verteidigungsausgaben auf 1,5 Prozent zu erhöhen, genügen nicht.
Die deutsche Haltung zu der im Bau befindlichen Gaspipeline Nord Stream 2 kommentierte der Diplomat mit diesen Worten:
Darüber kann Deutschland selbstverständlich selbst entscheiden. (...) Aber die USA haben dazu eben auch einen Standpunkt. Wir waren einverstanden mit Nord Stream 1, aber Nord Stream 2 geht zu weit.
Versuche der Bundesrepublik, gemeinsam mit anderen EU-Staaten die nach internationalem Recht illegalen Iran-Sanktionen der USA zu umgehen, verurteilte Grenell mit den Worten:
Ja, ich betrachte das als Missachtung. Amerikanische Sanktionen zu umgehen, ist nicht ratsam.
Der Botschafter betont immer wieder die gemeinsamen Werte, die die USA und die Europäer verbänden: "Europa ist unser Partner. Wir haben dasselbe Weltbild. Wir glauben beide an Demokratie, Kapitalismus und Menschenrechte." Dass hinter den US-Positionen zu Rüstung und Erdgas auch wirtschaftliche Interessen stehen, versucht der Botschafter, mit Gemeinplätzen zu kaschieren:
Amerika wird natürlich immer versuchen, eine Vielzahl von Produkten zu verkaufen. Wir lieben nun einmal Handel und Kapitalismus. Das dürfte niemanden überraschen.
In der Debatte um die Beteiligung des Huawei-Konzerns am 5G-Ausbau in Deutschland warf der US-Botschafter der Bundesregierung im November 2019 vor, die USA durch einen Vergleich mit China beleidigt zu haben:
Die jüngsten Äußerungen hochrangiger Vertreter der deutschen Regierung, die Vereinigten Staaten seien vergleichbar mit der Kommunistischen Partei Chinas, sind eine Beleidigung für die Tausenden amerikanischen Soldatinnen und Soldaten, die dazu beitragen, die Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten.
Während Grenell in Deutschland jenseits der Springer-Presse überwiegend kritisch gesehen wurde, wird er in den USA gerade wegen seines harten Auftretens gegenüber den deutschen "Verbündeten" nun für Höheres gehandelt. Trump nannte ihn am Sonntag in einem Fernsehinterview einen "Superstar".
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