Ausbeutung in der Fleischbranche: Regierung will Werkverträge verbieten

Kritik gibt es schon lange, doch offenbar brauchte es erst die Corona-Krise, bis die Politik reagiert: Nach mehreren Infektionsfällen in Schlachtbetrieben geht die Regierung schärfere Regeln für die Branche an – Arbeitgeberverbände zeigen keine Einsicht.

Die Corona-Krise hat die Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben mit verzweigten Subunternehmern und überfüllten Arbeiterunterkünften ins grelle Licht gerückt. Dabei mangelte es auch in der Vergangenheit nicht an Skandalen in der Branche. Nur wenige Wochen nach Infektionsausbrüchen an ersten Firmenstandorten beschloss die Bundesregierung am Mittwoch Konsequenzen. Für ein Geschäftsmodell, das Ausbeutung und eine Ausbreitung von Pandemien in Kauf nehme, könne es in Deutschland keine Toleranz geben, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Kernpunkt ist ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen.

Dass die Politik nun recht schnell durchgreifen will, liegt auch an schon lange bekannten Problemen. Gewerkschafter prangern seit Jahren verschachtelte Konstruktionen mit Sub-Sub-Subunternehmern an, um Bedingungen für die oft aus Osteuropa stammenden Arbeiter zu senken. Eine Kontrollaktion in Nordrhein-Westfalen ergab im vergangenen Jahr in 26 von 30 begutachteten Betrieben teils schwere Verstöße gegen den Arbeitsschutz. Schichten von mehr als zwölf Stunden waren nicht selten.

Die Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) kritisierte, es seien über Jahre aus den Missständen keine Konsequenzen gezogen worden. Die Zustände in den Schlachthofbetrieben seien "schockierend und beschämend für Deutschland", sagte die Direktorin der ILO-Vertretung in Deutschland, Annette Niederfranke, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert unterdessen auch eine europäische Lösung. Wenn darüber geredet werde, "was wir für Europa tun, (...) dann sollten wir auch versuchen, solche Standards dann generell in Europa zu diskutieren, sodass wir dann auch Fairness und Gleichheit in ganz Europa haben und nicht nur in Deutschland", sagte Söder am Mittwochabend in der ARD-Talksendung Maischberger.die woche. Diese Standards müssten in Europa besser durchgesetzt werden, auch um einer Abwanderung von Schlachtbetrieben vorzubeugen.

Die nun vom Kabinett auf den Weg gebrachten Eckpunkte sollen ausdrücklich auch vermeiden, dass Regeln umgangen werden. Heil will nun einen Entwurf für das Gesetzgebungsverfahren erarbeiten.

Hier die geplanten Maßnahmen im Überblick:

Thema Werkverträge

Das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch soll ab 1. Januar 2021 nur noch mit Arbeitnehmern des eigenen Betriebes zulässig sein. Dafür Werkverträge zu vergeben – also die komplette Ausführung von Arbeiten bei anderen Firmen einzukaufen –, wäre dann tabu. Heil erläuterte, dies ziele auf industrielle Fleischwerke ab, auch von großen Handelsketten und Familienunternehmern – aber zum Beispiel nicht auf kleinere Handwerks-Schlachtereien oder Wurstbestellungen von Verbrauchern im Supermarkt. Für die Fleischbranche soll nun unterbunden werden, dass Firmen Kernbereiche ihrer Tätigkeit auslagern.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte eine solche Grundlage, um "organisierter Verantwortungslosigkeit" durch ganze Ketten von Subunternehmern ein Ende zu machen. Dies könne das bisherige System beenden, das Beschäftigte zu "rechtlosen Arbeitsnomaden" mache, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Heil erklärte, er setze darauf, dass bisher ausgelagerte Beschäftigte nun schrittweise direkt bei den Schlachtunternehmen angestellt werden. Das sei auch "kein Hexenwerk".

Thema Kontrollen

Um Regeln durchzusetzen, müssen sie überwacht werden. Doch die Arbeitsschutz-Kontrollen der zuständigen Länderbehörden in der ganzen Wirtschaft sinken insgesamt seit Jahren. Unabhängig von neuen Gesetzen strebt Heil eine Überwachungsoffensive auch mit dem Zoll und Ordnungs- und Gesundheitsämtern in bestimmten Branchen an – darunter sollen auch Erntehelfer sein. Gesetzlich festgelegt werden sollen feste Quoten, welche Anteile von Betrieben jährlich besichtigt werden sollen. Eine konkrete Größenordnung wird nicht genannt. Im Gespräch waren zuletzt fünf Prozent, bezogen auf das Zieljahr 2026.

Thema Meldepflicht und Bußgelder

Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, die Behörden über Wohn- und Einsatzorte ausländischer Arbeitskräfte zu informieren. Kommen soll auch eine Pflicht zur digitalen Erfassung von Arbeitszeiten. Bei Verstößen sollen dann höhere Bußgelder drohen: Den Rahmen dafür will Heil von 15.000 Euro auf 30.000 Euro anheben.

Von der Wirtschaft kamen scharfe Proteste. "Wir dulden keine Verstöße und Mängel in Hygiene, Arbeitsschutz und Unterbringungssituation", erklärten die Arbeitgeberverbände. Es sei aber inakzeptabel, wenn Mängel einzelner Firmen missbraucht würden, um erfolgreiche und flexible Instrumente wie Werkverträge abzuschaffen. Heil verteidigte seine Pläne: Auch in anderen Branchen gebe es wegen besonderer Gefährdungen strengere Regeln. Er plane derzeit nicht, das Thema Werkverträge auch in anderen Bereichen anzugehen. Die Linke forderte dies und verwies auf ähnliche Strukturen am Bau und bei Gebäudereinigern.

Thema Fleischpreise

Dazu, welche Folgen bessere Arbeitsbedingungen auf Preise im Supermarkt haben könnte, äußerte sich die Regierung nicht. Lockangebote für Fleisch sorgen bei Bauern wie Tierschützern schon jetzt für Ärger. "Bessere Bedingungen in der Fleischindustrie sind überfällig", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Rheinischen Post am Donnerstag. Der Preis müsse abbilden, was die Herstellung unter fairen Bedingungen koste. Inmitten der Debatte sorgte ein Vorstoß von Discount-Marktführer Aldi für Preissenkungen bei Wurstprodukten für Wirbel – Hintergrund ist ein Einbruch der Schweinefleischpreise in den vergangenen Wochen.

Mehr zum Thema:

(rt/dpa)