Was bislang in Fachkreisen diskutiert wurde, ist nun in einem Gesetzentwurf verankert: Ein Corona-Immunitätsnachweis soll eingeführt werden. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung (SZ) hat die Bundesregierung dies am Mittwoch beschlossen. Voraussetzung für die Einführung eines solchen Dokuments sei jedoch, dass wissenschaftliche Beweise dafür vorlägen, dass sich Menschen nach einer Corona-Erkrankung nicht wieder anstecken können, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dem Bericht zufolge. Diese habe man bislang noch nicht. Bei dem Gesetz handele es sich deshalb um eine "vorsorgliche Regelung".
Die Bundesregierung steht mit solchen Plänen nicht allein da, auch in anderen Ländern sind sie im Gespräch. Allerdings sind die Immunitätsnachweise aus Sicht der WHO unzuverlässig. "Es gibt im Moment keinen Nachweis, dass Menschen, die sich von COVID-19 erholt und Antikörper haben, vor einer zweiten Infektion geschützt sind", teilte sie am Samstag mit.
Laut der SZ sind die Konsequenzen, die ein Immunitätspass mit sich bringen könnte, "weitreichend". So bezieht sich eine Passage im Beschluss auf das Infektionsschutzgesetz, mit dem der Staat Menschen, die ansteckend oder auch nur "krankheitsverdächtig" sind, dazu verpflichten kann, in Quarantäne zu gehen oder "bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten". Künftig soll es möglich sein, in diesem Fall den Immunitätspass vorzulegen, um eine Ausnahmegenehmigung oder gar Sonderrechte zu bekommen.
Laut Spahn bietet der Nachweis eine "Chance", dass Bürger "unbeschwerter" bestimmten Tätigkeiten nachgehen könnten. Als Beispiel nannte er Beschäftigte im Gesundheitswesen. Dem Entwurf zufolge sollen Arbeitgeber in den medizinischen oder sozialen Einrichtungen künftig Kenntnis über alle "übertragbaren Krankheiten" ihrer Angestellten erhalten dürfen. Bislang bezog sich dieses Recht nur auf "Krankheiten, die durch Schutzimpfung verhütet werden können". Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche nennt diese Pläne deshalb "fragwürdig", so die SZ.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) sieht die Einführung eines solchen Nachweises ebenfalls kritisch. Solche Gesundheitsdaten dürften auf keinen Fall missbraucht werden oder zu Diskriminierung führen, so Kelber.
Digitales Gesundheitszertifikat
Derweil wird von mehreren Unternehmen und Forschungseinrichtingen ein digitaler Immunitätsnachweis entwickelt. RT berichtete bereits darüber. In zwei bis drei Wochen werde dieser erprobt, so die SZ mit Verweis auf Stephan Noller, der die beteiligte Firma Ubirch leitet. Dieser könnte ein erster Schritt zum sogenannten digitalen Gesundheitszertifikat sein. So wird die Anwendung in Fachkreisen inzwischen genannt.
Ein wichtiges Element wird auch die Kenntnis des Gesundheitsstatus einzelner Personen sein, sagt Holger Schlüter von Lunfhansa Industry Solutions über die Entwicklung des digitalen Corona-Gesundheitszertifikats in einem Interview.
Test-Patienten werden dann mithilfe einer App einen Nachweis für ihr Corona-Testergebnis verschlüsselt in einer Datenbank abspeichern. Flughäfen, Infrastrukturunternehmen und Behörden könnten dann den Teststatus der Person digital überprüfen, erklärt Stephan Noller.
Laut Netzpolitik.org erinnert das Prinzip an die Gesundheitsstatus-Apps in China, dem Ursprungsland der Corona-Pandemie. Damals entwickelten Alipay und WeChat Anwendungen für die Regierung, die den Gesundheitsstatus von Personen mittels Farbcodes darstellen.
Wem die App grünes Licht gibt, darf beispielsweise außerhalb einer Provinz reisen. Sie speist sich jedoch aus mehr, nicht vollständig bekannten, Datenquellen, etwa Kontakt- und Bewegungsinformationen.
Jürgen Geuter, unabhängiger Wissenschaftler, der sich mit ethischen Fragestellungen von Algorithmen beschäftigt, bezeichnet die Idee als "katastrophal". Allerdings geht er davon aus, dass die sensiblen Gesundheitsdaten in einer öffentlich lesbaren Blockchain zur Verfügung gestellt werden. Er kommentiert das Projekt laut Netzpolitik.org wie folgt:
Die Idee, derart sensible Gesundheitsdaten in einer öffentlich lesbaren Blockchain zur Verfügung zu stellen, klingt wie zynische Satire. Die Diskriminierungs- und Missbrauchspotenziale einer solchen Lösung sind kaum abschätzbar, gerade, weil die Daten auch undefinierten 'Businesses' zur Verfügung gestellt werden sollen.
Später wies das Unternehmen Ubirch darauf hin, dass keine personenbezogenen Daten in öffentlichen Blockchains gespeichert würden.
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