Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder veröffentlichte am Montagnachmittag einen Tweet mit einem eingebetteten Video, in dem er sich indirekt für seine Politik in der Corona-Krise lobt. Söder berichtete in dem Tweet von einem Brief, den ihm ein Mädchen geschrieben habe.
Im eingebetteten Video sagt der präsidial vor blauem Hintergrund stehende Ministerpräsident mit einem Lächeln wörtlich:
Ich bekomme übrigens täglich Briefe. Erst vor wenigen Minuten eine zehnjährige Schülerin, die mir geschrieben hat und mich ausdrücklich gebeten hat, weil sie den Auftrag hat, einen Aufsatz zu schreiben, hat mir einen Brief geschrieben ...
Dann wird, untermalt von gefühliger Instrumentalmusik, der Brief eingeblendet. Dem Betrachter wird zunächst dieser vergrößerte Ausschnitt vorgesetzt:
Ich hätte eine große Bitte, könnten sie die Ausgangsbeschränkung verlängern? Denn die Pflegekräfte riskieren täglich ihr Leben im Kampf gegen das Coronavirus, und das sollte nicht umsonst sein. Meine Mama arbeitet auch in einem Pflegeheim.
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Dann wird das Ende des Briefes eingeblendet. Man sieht eine gemalte Sonne, ein rosafarbenes Herz, in dem "Danke" steht, eine Blume und eine Wolke. Und liest diese Worte der Schülerin:
Wir sollten zusammen kämpfen.
Danke, dass Sie für uns da sind!
Mit freundlichen Grüßen
Giulia
Nach diesen Einblendungen erscheint wieder der redende Söder, der dem Mädchen und der Öffentlichkeit dies mitteilt:
Der kleinen Giulia kann ich das an der Stelle ausdrücklich noch mal sagen: Wir tun das jetzt! Wir wissen auch, dass es keine leichte Zeit für unsere Menschen ist.
Man muss die Existenz der kleinen Giulia und die Aufrichtigkeit ihres Briefes nicht von vornherein bezweifeln. Söder, dem immer wieder Ambitionen aufs Kanzleramt nachgesagt werden, was er bisher stets dementiert hat, nutzt allerdings diesen Brief, um daraus ein Stück moderner Öffentlichkeitsarbeit zu basteln: Er inszeniert sich in dem Video als führungsstarken Landesvater, der die Nähe zu den einfachen Menschen und Kindern nicht verloren hat.
Söder-Tweet stößt auf geteiltes Echo in sozialen Medien
Beim Wahlvolk dürfte der Tweet seine Wirkung nicht verfehlen. Die Kommentare auf Twitter allerdings waren überwiegend negativ. Gleich der erste Kommentator schrieb:
Für wie dumm hält uns dieser Mann? Ach so, hab' vergessen, dass das ja alles CSU-Wähler sind, die er anspricht.
Ein anderer Nutzer bewertete die Verwendung des Briefes als erpresserisch: "Die Situation ist komplexer als ein Kinderbrief und emotionale Erpressung – so geht das nicht." Ähnlich sah es ein weiterer Kommentator, der auf die durch die genannten Maßnahmen eingeschränkten Grundrechte verwies:
Ich würde mich sehr viel wohler fühlen, wenn Entscheidungen, die die Bürgerrechte sehr stark einschränken, nicht mit Briefen von zehnjährigen Kindern begründet werden würden. Das wird dem Ernst der Sache nicht gerecht.
Andere kritische Kommentare verwiesen auf die fehlende Schutzausrüstung für medizinisches Personal und auf die Lage der Unternehmen, die einen länger dauernden Stillstand nicht überstehen könnten. Ein weiterer Kommentar riet Söder, die Lage nicht für Propaganda zu missbrauchen.
Doch es gab auch lobende Stimmen. Etliche Nutzer priesen das Mädchen und dessen Brief, und auch die Demonstration söderscher Führungsstärke und Bürgernähe schien wenigstens bei einigen Nutzern anzukommen:
Ich gehöre zwar nicht zum CSU-Dunstkreis, aber trotzdem ein dickes Lob für Ihre heutige klare Ansage, Herr Söder! Respekt! Sie agieren vorausschauend und menschlich. Bayern hat zwar mit etwas Verspätung reagiert, verhält sich nun aber vorbildlich.
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