Die Rentenkommission der Bundesregierung hat vorgeschlagen, das Rentensystem zu reformieren, um es "zukunftsfest" zu machen, fordert aber keinen grundlegenden Umbau. In dem am Freitag vorgestellten Abschlussbericht der Kommission, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitierte, heißt es, das bewährte System solle angepasst und verändert, aber "nicht vom Kopf auf die Füße" gestellt werden.
In dem Bericht fordert die Kommission eine "Neujustierung" des Finanzierungsgefüges für die nächsten Jahrzehnte. Die Begründung:
Die demografische Entwicklung wird zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung in der gesetzlichen Rentenversicherung führen.
Ein "dauerhaft verlässlicher Generationenvertrag" verlange eine ausgewogene finanzielle Beteiligung aller – der Beitragszahler, der Steuerzahler und der Rentner. Der Begriff "alle" ist aber für die Kommission nicht wirklich allumfassend: Die oft erhobene Forderung nach einer Einbeziehung von Beamten und Selbständigen in die gesetzliche Rente wird von ihr nicht aufgegriffen. Eine mögliche Einbeziehung der Beamten diene einer nachhaltigen Finanzierung "voraussichtlich eher nicht".
Die Kommission empfiehlt die Fortführung des Systems der sogenannten Haltelinien für das Rentenniveau und den Beitragssatz über 2025 hinaus. Das Sicherungsniveau – also die Höhe einer gesetzlichen Standardrente nach 45 Beitragsjahren im Verhältnis zu den Löhnen – soll sich in einem Korridor zwischen 44 und 49 Prozent bewegen, also tendenziell sinken.
Bis 2025 ist das Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben. In der Praxis sind zahlreiche derzeitige und künftige Rentner bereits bei diesem Niveau von Armut bedroht. Beim Beitragssatz geht die Tendenz dagegen nach oben. Die Kommission empfiehlt einen Korridor zwischen 20 und 24 Prozent. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent. Bis 2025 soll er die Marke von 20 Prozent nicht übersteigen.
Offizielle Prognosen gehen aufgrund der demographischen Entwicklung von einer Beitragserhöhung auf 22,3 Prozent bis 2035 und einer Senkung des Rentenniveaus auf 44,1 Prozent aus.
Die Kommission rechtfertigt die empfohlenen Haltelinien: Rentnern werde so das Versprechen einer Teilhabe an der Wohlstandsentwicklung gegeben, die Belastung der Beitragszahler begrenzt. Die verbindlichen Haltelinien sollten künftig jeweils sieben Jahre gelten.
An der für Staat und Beitragszahler teuren und ineffizienten privaten Altersvorsorge will die Kommission nicht rütteln. Vielmehr solle diese und die betriebliche Altersvorsorge attraktiver gemacht werden. Förderungen sollten noch weiter verstärkt werden. Über ein höheres Renteneintrittsalter, wie es vor allem von den Unternehmensverbänden gefordert wird, solle derzeit noch nicht entschieden werden. Der Staat soll aber alle sinnvollen Maßnahmen ergreifen, damit Beschäftigte länger in Arbeit bleiben können.
Die Kommission war 2018 eingesetzt worden, ihr gehören hauptsächlich Fachpolitiker der Großen Koalition an, aber auch Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften sowie Wissenschaftler.
Die selbst in der Rentenkommission vertretende Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lobte den Abschlussbericht des Gremiums. Dessen Empfehlungen der Rentenkommission blieben zwar vage, stünden allerdings "notwendigen Veränderungen in der Rentenversicherung" auch nicht entgegen:
Die Empfehlungen lassen damit den Weg offen, um den drohenden Beitragssatzanstieg in der Rentenversicherung wirksam zu begrenzen und damit die Rentenversicherung langfristig finanzierbar zu halten. Der Gesetzgeber muss diese Chance nun aber auch nutzen.
Dagegen warnten die Gewerkschaften davor, das derzeitige, ohnehin niedrige Rentenniveau weiter abzusenken. Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke erklärte, die unterste Haltelinie für die Rente müsse bei 48 Prozent gezogen werden. Er wandte sich gegen jede weitere Absenkung:
Dadurch würden die Bezieherinnen und Bezieher unterer Einkommen vollends sozial abgehängt. Das betrifft insbesondere viele Frauen.
Auch in den sozialen Netzwerken wurde vielfach betont, dass eine Umsetzung der Empfehlungen der Kommission das Problem der Altersarmut in Deutschland weiter verschärfen würde. Nutzer verwiesen auf das bereits heute im Vergleich mit anderen EU-Staaten sehr niedrige Niveau der gesetzlichen Rente in Deutschland. Kommentatoren bemerkten zudem, dass das mediale Echo auf den Kommissionsbericht wegen der allgemeinen Konzentration auf die Corona-Krise sehr überschaubar blieb.
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