Der österreichische Schriftsteller Peter Handke ist der Gewinner des Literaturnobelpreises für das Jahr 2019. Dies wurde am 10. Oktober bekannt. Seitdem reißen die Diskussionen um die Entscheidung des Preiskomitees nicht ab. Der heute 76-Jährige hatte sich in der 90er-Jahren, während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, mit Serbien solidarisiert und etwa 1999 die NATO-Luftangriffe auf das damalige Jugoslawien verurteilt. Die überwiegende Zahl der Kritiker der Entscheidung des Komitees in Stockholm zweifeln nicht an der literarischen Preiswürdigkeit seiner Werke, sondern verweisen stets auf die Haltung, die der Österreicher im Laufe der Kriege in Ex-Jugoslawien eingenommen hatte.
Kritiker warfen ihm vor, Täter zu Opfern zu machen
Dem Autor wurde vorgeworfen, die von Serben begangenen Kriegsverbrechen zu bagatellisieren oder sogar zu leugnen. Stattdessen würde er Täter zu Opfern machen. Vor allem sein Werk "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien", das 1996 erschien und bereits damals für scharfe Kritik gesorgt hatte, geriet wieder in den Fokus. Zudem wurde daran erinnert, dass Handke 2006 bei der Beerdigung des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević, der vor dem UN-Tribunal in Den Haag Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt wurde, eine Rede gehalten hat. Andere Stimmen verwiesen jedoch darauf, dass Handke den Nobelpreis für sein Werk als Schriftsteller bekommt und nicht für seine politische Haltung.
Doch die Diskussionen ebbten nicht ab, sondern wurden Woche zu Woche immer hitziger geführt. Vergangenen Freitag veröffentlichten dann mehrere österreichische Schriftsteller und Autorinnen einen offenen Brief, in dem sie die Berichterstattung über den Autor in den vergangenen Tagen scharf kritisierten.
Die Kritik an Peter Handke habe längst den Boden vertretbarer Auseinandersetzungen unter den Füßen verloren und bestehe nur noch aus Hass, Missgunst, Unterstellungen und Verzerrungen. "Sie ist zu einer Anti-Handke-Propaganda verkommen, der jedes Mittel recht ist", heißt es etwa in dem Schreiben. Gegen ihn werde "mediale Hetze" betrieben.
Der Wille zur Illiberalität selbst bei sich für liberal haltenden Medien ist nur noch erschreckend.
Einer der Gründe für diesen Brief waren mehrere Medienberichte über eine mögliche Ausbürgerung des Österreichers. Kurz zuvor hatte das US-Onlinemagazin The Intercept berichtet und mit einem entsprechenden Foto unterlegt, dass der Autor bereits seit 1999 im Besitz eines jugoslawischen Passes sei. Damit wurde im Geburtsland des 76-Jährigen gleich die Frage gestellt, ob er vielleicht kein Österreicher mehr ist?
Der Autor der Artikels Peter Maass verwies darauf, dass Handkes Nationalität im Pass als "jugoslawisch" angegeben sei. So schrieb er dazu auf Kurznachrichtendienst Twitter, Handkes Pass sei am 15. Juni 1999 in der jugoslawischen Botschaft in Wien ausgestellt worden:
Das in diesem Fall zuständige Bundesland Kärnten nahm eine Prüfung des Sachverhalt auf, denn eine Einbürgerung des Schriftstellers in Jugoslawien hätte einen sofortigen Verlust der österreichischen Staatsangehörigkeit zur Folge. Nur in Ausnahmefällen wäre eine Doppelstaatsbürgerschaft erlaubt.
Laut Handke war es ein "Gefälligkeitspass" – Protest am Tag der Preisverleihung in Stockholm angekündigt
Da Serbien seit 2006 Rechtsnachfolger des einstigen Jugoslawien beziehungsweise des Staatenbundes Serbien-Montenegro ist, würde der Literaturnobelpreis 2019 dann an einen serbischen Schriftsteller gehen. Doch Handke selbst bestritt gegenüber der Belgrader Tageszeitung Vecernje Nowosti, die jugoslawische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Ihm sei lediglich ein jugoslawischer Reisepass ausgestellt worden, "um zu reisen", erklärte Handke.
Wie nun am Freitag bekannt wurde, hat der Autor der Kärntner Landesamtsdirektion als zuständiger Staatsbürgerschaftsbehörde in einer persönlich von ihm unterzeichneten Stellungnahme mitgeteilt, dass er nie jugoslawischer Staatsbürger war. Es sei ihm 1999 in der Botschaft des damaligen Rest-Jugoslawien in Wien ein "Gefälligkeitspass" überreicht worden, dessen Funktion mit der Erleichterung seiner Recherche-Reisen in diesen Gebieten begründet wurde, zitiert das ORF aus dem Scheiben. Die Ermittlungen gehen jedoch weiter. Doch der Ministerpräsident von Kärnten, Peter Kaiser (SPÖ), soll laut Bericht gesagt haben, dass es keinen Grund gegeben habe und gebe, daran zu zweifeln, dass Peter Handke österreichischer Staatsbürger sei.
Ungeachtet der aktuellen Diskussion war und ist es mir wichtig festzustellen, dass für mich Peter Handke immer ein Kärntner war und ist, Kärnten und Österreich dürfen stolz sein, dass einem ihrer Söhne für seine herausragenden literarischen Leistungen als erstem Kärntner überhaupt, der Literaturnobelpreis zuerkannt wurde", wird Kaiser im Bericht zitiert.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker hatte sich am Freitag an den Schriftsteller gewandt. Die Nichtregierungsorganisation, die sich laut eigener Internetseite weltweit für die Rechte der verfolgten und unterdrückten ethnischen und religiösen Minderheiten, Nationalitäten und indigenen Völker einsetzt, forderte vom Literaturnobelpreisträger, sich "öffentlich bei den Opfern des Völkermords in Srebrenica und Bosnien zu entschuldigen". Andernfalls sollten die Schwedische Akademie und das Nobelpreiskomitee darauf "bestehen, dass er auf den Preis verzichtet".
Am Tag der Preisverleihung plane die Organisation "Mütter von Srebrenica" aus Sarajevo zusammen mit der kroatisch-deutschen Schriftstellerin Alida Bremer einen großen Protest gegen den Autor im Zentrum von Stockholm. Dies berichtet die Zeitung Dagens Nyheter.