Der Fall ereignete sich bereits im Januar im Ostteil der britischen Hauptstadt London. Doch erst jetzt kam das Videomaterial in einer BBC-Produktion heraus, die sich des Themas Gesichtserkennungsprogramme widmete. In dem Video ist zu sehen, wie die Londoner Metropolitan Police auf einem öffentlichen Platz einen dunkelblauen Lieferwagen abgestellt hat, auf dem zwei Überwachungskameras installiert waren. Die Polizei wollte mit diesen Kameras ihr neues Gesichtserkennungsprogramm unter realen Bedingungen in der Öffentlichkeit testen.
Die Passanten fühlen sich offensichtlich nicht wohl dabei und informieren einen auf den Lieferwagen zulaufenden Mann mit schwarzer Mütze, dass die Polizei hier gerade die Menschen filmt. Dieser entscheidet sich, sein Gesicht hinter dem Pullover zu verstecken, den er deswegen über die Nase zieht.
Obwohl die Polizei im Vorfeld der Tests erklärt hatte, dass "nicht jeder, der nicht gescannt werden möchte, notwendigerweise als verdächtig gilt", bestätigten Augenzeugen an jenem Tag, dass einige der Passanten von der Metropolitan Police aufgehalten wurden, nachdem sie ihr Gesicht verdeckt hatten. So auch der Mann mit der schwarzen Mütze.
Silkie Carlo, Direktorin der Menschenrechtsorganisation "Big Brother Watch", demonstrierte vor Ort gegen diese Polizeiüberwachung und beobachtete das, was sich noch abspielen sollte. Zu dem Mann mit dem verdeckten Gesicht meinte sie:
Es war überhaupt nichts verdächtig an ihm. (…) Man hat das Recht, (die Kameras) zu vermeiden, man hat das Recht, sein Gesicht zu verdecken. Ich denke, er hat seine Rechte ausgeübt.
Dennoch konnte sie sehen, wie ein Polizist in Zivil dem Mann folgte, eine Gruppe von Beamten ihn packte und "an die Seite zog". Sie verlangten von ihm, sein Gesicht zu zeigen und sich auszuweisen, was er dann unter Protest auch tat. Dabei wurde er ob der groben Behandlung ausfällig und erhielt am Ende einen Strafzettel über 90 britische Pfund wegen Beleidigung. Auf diesen Vorfall angesprochen, antwortete ein Sprecher der Londoner Metropolitan Police, dass die Beamten ihrem "eigenen Urteil folgen" sollen, wenn sie jemanden aufhalten und kontrollieren wollen, der sein Gesicht vor der Überwachungskamera verbirgt.
Die Resultate der Testläufe mit der Gesichtserkennungssoftware waren gemischt. Drei Personen wurden an jenem Tag durch die Software identifiziert; darunter auch ein 15-jähriger Junge wegen Diebstahlverdachts, der aber schließlich ohne weitere Maßnahmen freigelassen wurde. Menschenrechtsorganisationen wie die genannte Big Brother Watch monieren, dass die Polizei zwar die Einsätze der Probeläufe bekannt gibt, aber nicht klar ist, was anschließend mit den eingesammelten Daten geschieht.
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