Was ist der Unterschied zwischen einem Ossi und einem Migranten?

Es klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, ist aber bitterer Ernst: Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Ostdeutsche und Migranten viele Gemeinsamkeiten haben – beide fühlen sich als Bürger zweiter Klasse in der Bundesrepublik Deutschland.

von Timo Kirez

Kurz nach dem Mauerfall machte in Westdeutschland ein böser Witz die Runde: Was ist der Unterschied zwischen einem Ossi und einem Türken? Auflösung: Der Türke kann Deutsch und hat einen Arbeitsplatz. 30 Jahre später muss man den Witz offenbar umschreiben. Denn mittlerweile geht es weniger um Unterschiede als vielmehr um Gemeinsamkeiten. Zumindest, wenn man einer aktuellen Studie Glauben schenken mag.

Migranten und Ostdeutsche haben der Studie zufolge häufiger schlechter bezahlte Jobs als Westdeutsche. Beide Gruppen sehen sich zudem in ähnlicher Weise als "Bürger zweiter Klasse", die von der (west-)deutschen Gesellschaft nicht anerkannt werden. Die Studie wurde vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung unter Leitung der Soziologin Naika Foroutan erstellt.

Westdeutsche werfen laut der Studie dagegen beiden Gruppen vor, sich zum Opfer zu stilisieren und nicht im heutigen Deutschland angekommen zu sein. "Westdeutsche erkennen die Lage der Ostdeutschen nicht vergleichbar an: Sie ignorieren damit die Wunden der Wiedervereinigung", heißt es in der Studie mit dem Titel "Konkurrenz um Anerkennung".

Die Forscher des Zentrums kommen zu dem Schluss, dass sowohl die Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund als auch Ostdeutsche neben strukturellen Nachteilen wie geringerem Lohnniveau oder höherer Arbeitslosigkeit von "sozialer, kultureller und identifikativer Abwertung" betroffen seien. Dabei steht unter den Migranten die Gruppe der Muslime im Vordergrund. Die Analyse ist der erste Teil der Reihe "Ost-Migrantische Analogien". Für die Studie haben die Forscher 7.233 deutschsprachigen Menschen in Ost und West ab 14 Jahren in Telefoninterviews befragt. Es ist damit die erste repräsentative Umfrage zu diesem Thema.

Laut den Ergebnissen sind Ostdeutsche mit 26,5 Prozent und Migranten mit 29,5 Prozent tendenziell stärker im untersten Einkommenssegment vertreten als Westdeutsche mit 18,8 Prozent. Wenn es jedoch um das oberste Einkommenssegment geht, sieht das Bild anders aus: Nur 8,1 Prozent der Ostdeutschen und 8,9 Prozent der Migranten sind dort vertreten. Die Westdeutschen kommen auf 13,2 Prozent.

Die Selbsteinschätzung "Bürger zweiter Klasse" gaben 35,3 Prozent der Ostdeutschen, und 33,8 Prozent der Muslime in Deutschland an. Erkenntnisse liefert die Studie auch über das Bild der "Wessis" von den "Ossis". So sagen 37,4 Prozent der Westdeutschen über Ostdeutsche, dass diese sich nicht genug vom Extremismus distanzieren. Doch die Soziologin Foroutan warnte davor, den Osten pauschal zu verurteilen:

Die Erzählung eines flächendeckenden braunen Ostens aber ist genauso falsch wie die der größtenteils sexistischen und antisemitischen Muslime.

Laut der Wissenschaftlerin liegt der Grund für die Wahlerfolge der AfD im Osten darin, dass Rassismuskritik dort nicht gelernt worden sei und ethnische Ungleichheitsvorstellungen vorherrschten. Zudem seien die Diskriminierungserfahrung der Ostdeutschen von den Westdeutschen geleugnet worden.

Mit dem Stigma des Jammerossis wurde über 30 Jahre weggeschoben, dass es im Osten einen berechtigten Grund für Beschwerde gibt. Aber das war für viele Ostdeutsche kein Gefühl, sondern eine reale Erfahrung, also eine Erkenntnis.

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