Gesprächsthema Nummer eins in Italien ist seit Tagen der Tod einer jungen Frau. Imane Fadil trat gelegentlich im italienischen Fernsehen auf und träumte von einer Karriere als Sportjournalistin. Große Bekanntheit erlangte die Marokkanerin aber erst vor einigen Jahren – im Prozess gegen Italiens mehrmaligen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Sie saß nämlich auf der Zeugenbank. Fadil sprach unter anderem über als Nonnen verkleidete Frauen, die auf Berlusconis berüchtigten "Bunga Bunga"-Sex-Partys strippten. Nun liegt Fadil tot in einem Leichenschauhaus in Mailand. Niemand darf sich ihr nähern. Wurde sie vergiftet? Gar mit radioaktiven Substanzen? Oder starb sie eines plötzlichen natürlichen Todes? Litt sie an einer seltenen Krankheit?
Erhöhte Werte von Schwermetallen in Blut und Urin
Seit Tagen hält der mysteriöse Fall Italien in Atem. Doch offizielle Informationen sind rar. Keine Theorie scheint zu abenteuerlich, als der Chef der Mailänder Staatsanwaltschaft vor die Presse tritt.
Eine Vergiftung ist möglich, aber keiner kann eine mögliche natürliche Todesursache ausschließen", sagte Francesco Greco.
In Blut und Urin von Fadil sollen erhöhte Werte von Schwermetallen gemessen worden sein. Aber erst die Obduktion könne Aufschluss über die Todesursache geben, sagte Greco und warnte vor "suggestiven Vermutungen". Im Krankenhaus, in dem die 33-Jährige gestorben ist, sei mit einem Geigerzähler nach radioaktiven Substanzen gesucht worden – diese seien aber nicht nachgewiesen worden. Laut der Tageszeitung Corriere della Sera führten Experten der Universität Mailand eine Biopsie durch. Es wurden keine radioaktiven Spuren, weder in den Nieren noch in der Leber, der 33-Jährigen entdeckt.
Eines ist sicher: Fadil starb am 1. März. Vor ihrem Tod soll sie unter anderem ihrem Anwalt gegenüber die Vermutung geäußert haben, Opfer einer Vergiftung geworden zu sein. Ende Januar soll sie in eine Klinik bei Mailand gekommen sein, unter anderem wegen starker Bauchschmerzen.
Spuren nach Marokko und in die marokkanische Botschaft in Italien?
Der Fall elektrisiert Italien vor allem deshalb, weil Fadil eine der Zeuginnen war, die im Prozess um Berlusconis Sex-Partys ausgesagt hat. Im Großen und Ganzen ging es um den Fall des marokkanischen Callgirls "Ruby Rubacuori". Berlusconi wurden Amtsmissbrauch und Sex mit einer minderjährigen Prostituierten vorgeworfen. Der Prozess endete 2015 in letzter Instanz mit einem Freispruch. Danach gab es weitere Ermittlungen und Prozesse, in denen es um Zeugen-Bestechung ging. Fadil soll jedenfalls gesagt haben, dass ihr Geld angeboten wurde, damit sie als Zeugin schweigt.
Berlusconi distanzierte sich von dem Fall: "Ich habe diese Person niemals kennengelernt und auch nie mit ihr geredet", sagte er laut Nachrichtenagentur Ansa in Bezug auf Fadil. Für wilde Spekulationen sorgte allerdings, dass Fadil anscheinend gerade ein Buch über ihre Erfahrungen veröffentlichen wollte.
Vielleicht liegt die Lösung aber ganz woanders: Möglicherweise führten Spuren nach Marokko und in die marokkanische Botschaft in Italien, sagte Souad Sbai, Vorsitzende der Vereinigung marokkanischer Frauen in Italien und Ex-Abgeordnete in Italien, der Zeitung La Repubblica. Sie hat keine Zweifel daran, dass Fadil ermordet wurde.
Und sie legt eine brisante Theorie dar:
Ich verfolge diese Geschichten seit 2010. Wunderschöne marokkanische Frauen (wie Fadil) sind in diesen Jahren in Italien angekommen, und man kann sich leicht vorstellen, was sie machen sollten. Treffen, Filme, Erpressungen", sagte Sbai. "Es ist nicht nur Berlusconi passiert. Er ist bekannt, und seine Geschichte ist ans Licht gekommen. Aber es sind viele hochrangige Personen erpresst und bedroht worden. Vermutlich wollte sich (Fadil) zurückziehen, sie wurde zum Problem, und sie haben sie eliminiert."
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(rt deutsch/dpa)