Die Bundesrepublik diskutiert seit Tagen über Feinstaub und Stickstoffdioxid-Grenzwerte der EU. Gut 100 Lungenärzte hatten jüngst deren Nutzen in Zweifel gezogen. In einem Schreiben an die EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc forderte der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nun eine Überprüfung dieser Grenzwerte. Er verwies darauf, dass sich in der deutschen Ärzteschaft "Stimmen mehren", die die wissenschaftliche Herleitung des Jahresmittelwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft in Frage stellten.
Zur Gewährleistung unserer Mobilität erachte ich es daher als dringend erforderlich, dass sich die Europäische Kommission aktuell und auf geeignete Weise mit den vorgebrachten Zweifeln auseinandersetzt und eine Neubewertung der Grenzwerte prüft", zitiert die Deutschen Presse-Agentur aus dem Schreiben.
Scheuer hatte sich bereits für eine Überprüfung der Grenzwerte auf EU-Ebene stark gemacht. In vielen deutschen Städten bleibt die Luftverschmutzung, vor allem aus Diesel-Abgasen, höher als erlaubt, wie aus einer ersten Bilanz des Umweltbundesamtes für das Jahr 2018 hervorgeht.
Scheuer kündigte in dem Brief an Bulc an, er werde die rumänische EU-Ratspräsidentschaft bitten, das Thema beim informellen Verkehrsministerrat am 26. und 27. März, spätestens jedoch beim Verkehrsministerrat am 6. Juni aufzugreifen. Ziel sollte es sein, die Debatte insgesamt "auf der Basis zutreffender Fakten und anerkannter wissenschaftlicher Methoden zu versachlichen".
Grünen-Bürgermeister sieht eine größere Gefahr in Coca-Cola
Inzwischen meldete sich auch der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Wort und sprach sich ebenfalls für eine Versachlichung der Debatte aus. Er halte es für richtig, dass die Nationale Akademie Leopoldina gebeten worden ist, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zusammenzustellen. "Das sollten wir abwarten", sagte der CDU-Politiker der Zeitung Rheinische Post am Donnerstag. Klar sei aber:
Egal, wo wir die Stickoxid-Grenze definieren – das ist immer eine politische Entscheidung."
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Dies gelte auch für die Frage, wo Messstellen stehen. "Es wird jedenfalls nie so sein, dass man sagen kann: Unterhalb dieser Grenze ist das völlig gesund, und erst oberhalb schädlich. Die Frage ist nur, was wir auf Grundlage wissenschaftlicher Expertise für tolerabel halten."
Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) schaltete sich auch in die Feinstaub-Debatte ein. In einem Gastbeitrag in der Zeitung Die Welt schrieb er, die Luftschadstoffe seien ein untergeordnetes Problem für die menschliche Gesundheit. So seien laut dem Grünen-Politiker Fettleibigkeit, Tabak oder Alkohol die größten Feinde des modernen Menschen, wodurch viel mehr Menschen pro Jahr sterben würden als durch die Feinstaubbelastung in der Luft. "Ein Verbot von Coca-Cola würde vieltausendfach mehr Leben retten als Fahrverbote für Dieselfahrzeuge", so Palmer.
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