von Wladislaw Sankin
Was hat das beschauliche Döhlen, ein Teil der Gemeinde Seelitz bei Chemnitz, mit Stachanow bei Lugansk gemein? Menschen, die helfen und die Hilfe brauchen. Diese Orte verbindet schon seit über zwei Jahren Hilfslieferungen. In Döhlen werden die gespendeten Güter – Medizingeräte, Betten, Krankenhauszubehör usw. gelagert und verladen. Ende September stand die siebzehnte Lkw-Lieferung bereit. Zusammengestellt wurde sie in den Lagerräumen in Döhlen und Jena.
Die Gründerin der Aktionsbündnis "Zukunft Donbass", Raissa Steinigk, rief uns mehrere Wochen im Voraus an, um auf den anstehenden Transport aufmerksam zu machen. Das Besondere diesmal sei die Lieferung des sogenannten Chillers, eines Kühlaggregats für das bereits nach Stachanow gelieferte MRT-Gerät im dortigen Bezirkskrankenhaus, sagte sie. Dr. Steinigk stammt aus der Zentralukraine und wohnt seit Mitte der Siebziger Jahre in Thüringen. Seit 2016 hat sie eine neue Berufung – humanitäre Hilfe zu sammeln und an die Menschen im Donbass zu verfrachten. Der Medienarbeit misst sie eine zentrale Rolle bei – denn nach jedem neuen Bericht könne sie mehr Menschen und damit auch potenzielle Spender erreichen. Bevor ich mich entschlossen habe, nach Döhlen zu fahren und einen Bericht über die Verladung des Hilfstransportes zu drehen (unsere Reportage wird auch in Lugansk gedreht und wird Mitte Oktober fertig), schickte sie mir eine lange Liste mit Medienberichten über ihre Arbeit.
Meist waren es lokale Medien, die über die ostdeutschen Wohltäter schrieben. Auch diesmal war ein Bericht des Chemnitzer Blattes Freie Presse im Gespräch, erfuhr ich später. Als ich am Lagerort in Döhlen ankam, war bereits ein gutes Dutzend Helfer vor Ort, die vor einer Lagerhalle mit zerborstenen Fenstern standen und auf "ihren" 22-Tonner warteten. Die Stimmung war gut, und bevor es losging, erzählte mir mein Ansprechpartner Christian Rolof, einer der Aktivisten der "Zukunft Donbass", "die Sache mit der Pressedame" von der Freien Presse:
Es gab Differenzen mit der Freien Presse. Die Journalistin hat mich gestern kontaktiert. Als sie aber erfuhr, dass Russia Today hier in Döhlen zu Gast ist, hat sie es abgelehnt, hier zu erscheinen", sagte er.
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Sie hätten lange diskutiert und sich am Ende fast zerstritten, erzählte der Aktivist. Die Journalistin hätte sich auf einen Artikel der Zeit berufen. Der Artikel solle eine Art Begründung liefern, warum man mit RT Deutsch nicht sprechen sollte. Diese Absage sei für Christian Rolof erschreckend gewesen.
Sie wolle hier nicht mit dem 'Klassenfeind' Seite an Seite stehen und die Verladung dieser Sachen mit uns verfolgen", sagte er und nannte diesen Vorfall als Akt der 'Russophobie'.
Bei der Verladung, die mit einer Schweigeminute im Gedenken an Alexander Sachartschenko begann, ging es familiär zu. Einige Frauen haben Würste und Kuchen mitgebracht, Kaffee ausgeschenkt. Die Freude an der Arbeit war allen Beteiligten leicht anzusehen. Alle sprachen bereitwillig mit uns – die Helfer von Döhlen kommen aus der Region und zeigten sich motiviert, ihre humanitäre Tätigkeit deutschlandweit auszudehnen. Inzwischen müssten sie oft Hilfsguter von weit her aus dem Westen und Süden Deutschlands abholen. Unermüdlich erklären sie den Menschen die Notwendigkeit der Spenden und bestärken sie in ihrer Hilfsbereitschaft.
Ich versuchte, mir die Anwesenheit der Journalistin von der Freien Presse unter diesen Menschen vorzustellen. Als wir den Abschied vom voll beladenen Lkw drehen, holt Christian Rolof aus seinem Auto die Fahne der Donezker Volksrepublik und breitet sie aus. Sie vertreten also durchaus politische Ansichten, tun das auch klar und aufrichtig kund. Dennoch, in erster Linie war und bleibt der Ansatz der Helfer aus Sachsen und Thüringen ein Akt der Humanität. Keine "normale" Hilfsorganisation macht solche Aktionen in einem so großen Stil. Auch das Deutsche Rote Kreuz nicht, das nicht einmal eine Vertretung in Donezk oder Lugansk hat. Raissa Steinigk erklärt, dass die Zahl der Menschen, die im Einzugsgebiet der belieferten Krankenhäuser leben, über 200.000 betrage.
Dennoch, der Freien Presse ging es bei der Absage ihrer eigenen Berichterstattung offenbar doch nicht nur um "Kontaktschuld" mit dem unheimlichen russischen Sender Russia Today. Die empathischen deutschen Helfer – die Mitbürger von nebenan, die Handwerker, die Verwaltungsangestellten, die in der Ukraine-Politik nicht auf Regierungslinie sind und sich nicht scheuen, ihre Ansichten zu bekunden, würden vielleicht einfach eine verbreitete, starre Schablone sprengen. Also kann nicht sein, was nicht sein darf.