Es ist ein sehr interessantes Thema, dem sich das international renommierte Umfrageinstitut Pew Research Center gewidmet hat. In Zeiten des wiedererstarkenden Nationalismus in Europa mit scheinbar unüberbrückbaren politischen Positionen gegenüber dem, was man bisher als europäischen Mainstream bezeichnete, wurde insbesondere der Begriff "Populismus" als Sündenbock für alle möglichen Fehler etabliert.
Victor Orban, Gert Wilders, Alexis Tsipras, Matteo Salvini und AfD: sie alle haben laut Medien mindestens als kleinsten gemeinsamen Nenner den "Populismus". Aber was steckt eigentlich hinter dieser Bezeichnung? Da es in der politischen Debatte zu einem Schlagwort verkommen ist, das sich Vertreter sehr verschiedener Richtungen gegenseitig an den Kopf werfen, ist es schwierig, eine allgemein gültige Definition zu finden. Grundsätzlich herrscht Einigkeit darüber, dass der Populismus von einer immer größer werdenden Kluft zwischen der sogenannten Elite und Regierung einerseits und dem Volk (lateinisch populus) andererseits genährt wird.
Diese Kluft sowie auch das Unvermögen vieler Regierungen, wieder einen engeren Bezug zum eigenen Volk und zu einer gemeinsamen Sprache zu finden, haben die gewohnte Aufteilung der politischen Landkarte der letzten Jahrzehnte durcheinandergewirbelt. Die relativ klare Aufteilung von "Links", "Mitte" und "Rechts", wonach sich auch die Parteienwelt ordnen ließ, wurde in den vergangenen Jahren völlig aufgeweicht. Deshalb fischen alteingesessene, substanziell verkrustete Parteien wie SPD oder CDU im Trüben, und können offensichtlich nicht verstehen, was um sie herum passiert und wie sie darauf reagieren sollen.
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Ein zentraler Punkt - wenn man über Populismus sprechen möchte - ist die Frage, wie die Wählerschaft zur jeweils aktuellen Regierung steht. In den Ländern mit einer derzeit rechtsgerichteten Mehrheit, haben die Schweden mit 71 Prozent das größte Vertrauen in ihr Parlament (28 Prozent trauen dem Parlament nicht). In Deutschland vertraut laut der Umfrage eine Mehrheit von 55 Prozent der Bevölkerung dem Bundestag, 43 Prozent teilen diese Meinung nicht.
Es ist frappierend, dass von acht Ländern der Europäischen Union nur in drei Ländern (Schweden, Niederlande, Deutschland) eine Mehrheit der Arbeit ihrer Parlamente vertraut. In Großbritannien und Frankreich liegt das Misstrauen bei jeweils 62 Prozent, in Italien bei heftigen 82 Prozent und Spanien gar bei 84 Prozent!
Fast das gleiche Bild zeigt sich bei der Frage, ob man den Medien traut. Auch hier sind es lediglich drei Länder, in denen eine Mehrheit der Arbeit der Medien vertraut (Niederlande 67 Prozent, Schweden und Deutschland mit jeweils 64 Prozent). Hingegen äußern in den anderen fünf Ländern zwischen 52 Prozent bis 71 Prozent ihr Misstrauen.
Laut der Pew-Umfrage identifizieren sich in Deutschland 17 Prozent der Befragten mit klaren linken Positionen, 14 Prozent mit klaren rechten Positionen und 37 fühlen sich in der traditionellen Mitte Zuhause. Den letzteren Wert erreichen auch die Befragungen in Schweden, allerdings auf dem rechten Flügel. Von den acht befragten Ländern (Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlange, Schweden, Spanien) gibt es nirgendwo sonst eine so starke "Mitte", wie in Deutschland. Bei den nördlichen Nachbarn und der Niederlande identifiziert sich die Mehrheit mit rechten Positionen, bei ungefähr gleicher Verteilung jeweils auf Mitte und Links. In Italien, Frankreich und Spanien hält sich die Mitte mit den Rechten die Waage, in Großbritannien dagegen doch mit einem klareren Bevorzugen rechter Politik.
Interessant ist aber auch die Aufteilung der sogenannten Populisten, egal ob Links-, Rechts-, oder Populismus der Mitte. Nur Spanien liegt mit 17 Prozent Anteil von "Populisten der Mitte" noch vor Deutschland (mit 14 Prozent), die sich eben bei vielen Themen doch auf einer Wellenlänge mit dem rechtsgerichteten Mainstream und Rechtspopulisten befinden.
Was das bedeutet, zeigt sich insbesondere bei den oben erwähnten Themen. Während in Deutschland eine Mehrheit von 55 Prozent der Arbeit des Bundestags ihr Vertrauen schenkt, sind es nur 29 Prozent der "Populisten der Mitte" und nur noch 22 Prozent im rechten Spektrum. Dasselbe gilt für die Medien: 64 Prozent der Deutschen vertrauen den Medien, während es bei den Populisten der Mitte nur 50 Prozent und bei Rechtspopulisten 38 Prozent sind.
Und genau diese Annäherung "der Mitte" an einige Positionen der Rechten wie auch die immense Unzufriedenheit mit parlamentarischen Vertretern und mit der Regierung eröffnen gerade für Parteien wie die AfD (Alternative für Deutschland) enorme Möglichkeiten. Die gerne wiederholte Behauptung, dass die AfD eine rechte Partei ist, hält einem genaueren Hinsehen nicht stand. Es ist die unzufriedene Mitte zusammen mit Rechtspopulisten, die der AfD Anfang Juli in Deutschland einen Rekordwert von 17 Prozent beschert hatte.