In dem eine Minute und 31 Sekunden langen Beitrag bekommen drei Jungen die Aufgabe, den BH einer Schaufensterpuppe zu öffnen. Als größte Herausforderung beschreibt der Kinderkanal den Verschluss: "Geht nicht, gibt's nicht". Das Video soll der Zielgruppe von Kindern zwischen 3 und 13 Jahren zeigen, wie die Jungen im Pubertätsalter einen Büstenhalter öffnen können.
Das alles ist im Rahmen eines so genannten Aufklärungsprogramms für Kinder unter dem Namen "Kummerkasten" zu sehen. Bereits im Dezember hatte KiKa einen zehnminütigen Beitrag "Alles klar mit BH?" mit den gleichen Protagonisten ausgestrahlt, in dem sich der Sender des großen Themas "erster BH" in einer Weise widmete, die gleichermaßen Mädchen wie Jungen ansprechen sollte. Das spielerische Element sollte dabei nicht zu kurz kommen, entsprechend bot der Sender seinen Zuschauern auch ein Memory-Spiel für verschiedene Brustformen an. Das Spiel sollte laut BZ ursprünglich den verheißungsvollen Titel "Klicken! Klicken! Klicken! Dann gibt's Busen! Busen! Busen!" tragen.
Nach der Veröffentlichung des BZ-Artikels hat man diese Formulierung entfernt. Später hieß es unter der Überschrift "Bock zu Spielen!?" erst noch "Brüste! Brüste! Brüste! Zock das Busen-Legespiel!". Nachdem auch hier nicht jeder die gedankliche Tiefe dahinter als solche erfasst zu haben schien, steht inzwischen nur noch "Legespiel". Gemeint ist nun ein Memory, in dem verschiedene Arten von weiblichen Brüsten versteckt sein sollen.
"Sexuelle oder voyeuristische Ausrichtung wird vermieden"
Verlinkt sind auf der Homepage des Kanals sind auch weitere Sendungen wie "Alles klar im BH?". Weiteres Durchklicken offenbart als "Wissenstipps" interessante und bahnbrechende Einsichten wie: "Kein Mist, aber Frauen sind die einzigen weiblichen Lebewesen, bei denen die Brüste dauerhaft prall sind." Laut dem Sender soll mit dem so genannten Aufklärungsprogramm den 10- bis 13-Jährigen die "Unsicherheit hinsichtlich der Form und Größe von Brüsten" genommen werden. Mit Kritik konfrontiert, verweist der Sender auf eine pädagogische Empfehlung vonseiten des Wohltätigkeitsverbandes Diakonie.
Auf eine Anfrage der BZ bei den KiKa-Verantwortlichen erklärten diese, dass mit dem Busen-Memory-Spiel
spielerisch gezeigt wird, wie unterschiedlich Brüste sein können und dass das alles normal ist. Jede sexuelle, sexistische oder voyeuristische Ausrichtung wird in Text und Bild vermieden.
Mittlerweile ist der Beitrag, der das Öffnen eines BHs zeigt, entfernt, mit der Begründung des "Protagonisten-Schutzes". Die Auswahl von drei Jugendlichen mit einem offensichtlichen Migrationshintergrund habe Anlass zu Bedenken gegeben.
Auch interessant - Jugend von heute: No Drugs, No Sex, No Rock'n'Roll
Kritik hatten nicht nur konservative Kräfte aus dem Umfeld der AfD geübt, die generell Anstoß an einer, wie sie es nennen, "Früh-" oder "Hypersexualisierung" von Kindern durch aktive Konfrontation mit Inhalten dieser Art nehmen. Sie werfen Fernsehverantwortlichen und Bildungspolitikern vor, auf diese Weise "ideologische Gesellschaftsexperimente" bedienen zu wollen, die auf Ideen wie jene des umstrittenen Psychologen Wilhelm Reich oder der 68er-Studentenbewegung zurückgehen. Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel forderte gar eine Einstellung des Sendebetriebs von KiKa.
"KiKa sendet völlig falsches Signal"
Auch einige emanzipatorisch ausgerichtete Verbände ließen kein gutes Haar an dieser Form der Programmgestaltung. Laut Inge Bell von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes ist die Auswahl der Einwandererkinder "auffällig". Sie wittert sogar Rassismus, denn die Sendung könne so den Anschein erwecken, "Migranten-Jungs brauchen besonderen Nachhilfeunterricht beim BH-Öffnen". Gerade in Zeiten der #MeToo-Debatte solle eine solche Instrumentalisierung von Migranten-Jungs in den Medien ein No-Go sein, meint Bell gegenüber BZ.Generell sende KiKa ein völlig falsches Signal an die Zielgruppe der 3- bis 13-jährigen Kinder:
Es ermutigt Jungs schon im Kindesalter, Mädchen buchstäblich an die Wäsche zu gehen. Und es signalisiert Mädchen schon im Kindesalter, dass Jungs ihnen an die Wäsche gehen dürfen", sagte Bell.
Ähnlich sah das Problem auch der älteste Frauenrechtsverband Deutschlands, der Deutsche Staatsbürgerinnen-Verband. Auf die Anfrage der BZ sagte die Sprecherin des Verbandes, Zana Ramadani, dass solche Aktionen "den Sexismus fördern" würden:
Hier wird die Weiblichkeit und die weibliche Brust zum Spaß objektifiziert. Mit so einem Spiel lernen Jungs und Mädchen von klein auf, dass der weibliche Körper von jedem beurteilt und begafft werden darf. Würden die Verantwortlichen eigentlich auch ein Penis-Memory machen?
Psychologen befürchten "Überrollen" jugendlicher Gefühlswelt
Viele Psychologen bezweifeln grundsätzlich die Notwendigkeit solcher Eingriffe in die Gefühlswelt der heranwachsenden Kinder. Die Kinderpsychologin Helene Timmermann befürchtet, dass "Aufregendes und Geheimnisvolles im Zusammenhang mit Sexualität" hierbei verloren gehe und ins Lächerliche gezogen werde. Gefühle von Unsicherheit, Peinlichkeit und Scham der Jugendlichen würden "überrollt" werden.
Diesem Trend – die Sexualität der Lächerlichkeit preiszugeben – folgt KiKa jedoch anscheinend seit Jahren. Bereits im Jahre 2012 erklärte der Moderator Ralph Caspers seinen Zuschauern in einer klaumaukhaften Animation (noch auf Youtube zu sehen), wie man "geschickt eine Erektion kaschieren" kann. "Ich dachte, KiKa wäre was für Kinder", schrieb darauf der meistgelikte Kommentator.