Presse- und Meinungsfreiheit vor Gericht – Auftakt der Hauptverhandlung gegen das "Compact"-Magazin

Heute hat vor dem Bundesverwaltungsgericht das Hauptsacheverfahren um das Verbot des Compact-Magazins begonnen, nachdem der sofortige Vollzug des Verbots per Eilverfahren im August vergangenen Jahres ausgesetzt worden war. In dem spektakulären Prozess geht es um die Presse- und Meinungsfreiheit.

Nicht ganz ein Jahr ist es her, dass die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser das regierungskritische Compact-Magazin verboten und frühmorgens Mitte Juli 2024 eine bundesweite Razzia gegen den Verleger Jürgen Elsässer und seinen Verlag durch die Polizei hatte durchführen lassen (RT DE berichtete seither). Nachdem ein für Februar anberaumter Termin verschoben worden war, hat am heutigen Vormittag die Verhandlung um das Verbot der offiziell als "rechtsextrem" eingestuften Zeitschrift begonnen.

Bereits am Pfingstwochenende berichteten zahlreiche Medien über den bevorstehenden Prozess. Hatten die Hausdurchsuchungen im vergangenen Juli landesweit und international für Aufsehen gesorgt, dürfte das Gerichtsverfahren erneut große Aufmerksamkeit mit sich bringen. Wie Compact selbst in einer Pressemitteilung schreibt, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig einen relativ großen Sitzungssaal mit 200 Plätzen gewählt, da offenkundig ein "starkes öffentliches Interesse" angenommen wird.

Publizistische Vorab-Verurteilung

Der Deutschlandfunk (DLF) ordnete die Zeitschrift vorab als "zentrales Medium der Neuen Rechten in Deutschland" und "Hofmedium der AfD" ein. Die Quintessenz vieler Texte sei "Ausländer = Kriminelle" und "Zugewanderte, vor allem Muslime, seien keine 'echten' Deutschen". Zudem räume das Magazin regelmäßig dem österreichischen "Rechtsextremisten" Martin Sellner Platz ein.

Das Bundesinnenministerium unter Faeser (SPD) hatte im Juli 2024 nicht nur die Zeitschrift, sondern auch eine mit dieser verbundene Filmproduktionsgesellschaft verboten. Die Begründung lautete, die Zeitschrift samt ihres Auftritts in den sozialen Medien sei "klar gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet", befanden Faeser und ihr Ministerium. Denn Compact propagiere die Vorstellung eines "ethnisch reinen Volkes". Die publizistischen Darstellungen des Magazins seien "manipulativ" – insbesondere gegen Migranten – und machten die Demokratie "verächtlich", wie der DLF aus der seinerzeitigen Verbotsbegründung zitiert. Außerdem wird der Zeitschrift vorgeworfen, "antisemitische Verschwörungserzählungen" zu verbreiten, die eine "angeblich von Juden gesteuerte globale Finanzelite" behaupteten.

Das Magazin und sein Chefredakteur Elsässer gingen rechtlich gegen das Verbot vor, das von Faeser über den Umweg des Vereinsrechts ausgesprochen worden war. Im Eilverfahren hatte das BVerwG im August 2024 den Sofortvollzug des Verbots vorübergehend ausgesetzt, da es die Aussichten der Klage durch den Verlag als "offen" ansah, woran das Fachportal lto erinnert. Daher habe bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung die Pressefreiheit Vorrang.

In der Vorabberichterstattung wurde Stimmung gegen Compact gemacht. So sprach der Spiegel von einem "Showdown in Leipzig". Das Hamburger Magazin stellte bedauernd fest, dass Compact nach der Aufhebung des Verbots "vorerst" wieder erscheinen durfte und das Innenministerium die "beschlagnahmten Computer und Büromöbel zurückbringen" musste. Die Zeit nennt Elsässers Magazin ein "Wutblatt in Hochglanz" und wirft ihm "teils antiamerikanische, russlandfreundliche Positionen und teils verschwörerische Thesen" vor. Die Zeitschrift, deren Redaktion "von Falkensee auf den Hof des früheren AfD-Landeschefs André Poggenburg in Sachsen-Anhalt zog", wie die Leipziger Volkszeitung mitteilt, vernetze ihre "Leserschaft mit rechtsradikalen Kräften" und diene sich der AfD an, so die Zeit.

Bedrohte Presse- und Meinungsfreiheit

Die Hauptverhandlung dreht sich um die Frage, ob das Verbot der Zeitschrift nach dem Vereinsrecht statthaft ist und inwieweit nicht mildere Mittel in der Abwägung von "wehrhafter Demokratie" und Pressefreiheit zur Anwendung kommen könnten. Dazu zählen etwa das Verbot nur einzelner Texte oder bestimmter Veranstaltungen, die das Magazin durchführt. So könnte das Zeitschriftenverbot ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Pressefreiheit gewesen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Vereinsverbote gegen "Medienorganisationen" bestätigt, wie lto an anderer Stelle schreibt – zuletzt im Fall von linksunten.indymedia. Zudem hatte das Gericht eine Verfassungsbeschwerde, im Zuge derer die Gesetzgebungszuständigkeit hätte geprüft werden können, nicht zur Entscheidung angenommen.

Es heißt, die Richter des BVerwG sähen "Anhaltspunkte" für die für ein Verbot notwendige "kämpferisch-aggressive Haltung" in Bezug auf die Verfassung; auch werde in einzelnen Artikeln rassistische Diskriminierung propagiert und daher gegen die Menschenwürde verstoßen. Zudem sei festzustellen, dass die Zeitschrift darauf abziele, die Leserschaft zu radikalisieren. Allerdings zweifelte das Gericht an, ob diese Aussagen "prägend" für das gesamte Magazin seien.

Das Verbotskonstrukt über das Vereinsrecht führte zu heftiger Kritik nicht nur vonseiten der CDU/CSU, die damals noch in der Opposition war, sondern auch von der noch an der "Ampelkoalition" beteiligten FDP. Die AfD hatte sogar Faesers Rücktritt gefordert. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte das Verbot einen "politischen Schnellschuss" genannt. Dagegen will das Bundesinnenministerium, nun unter Leitung von Alexander Dobrindt (CSU), am Verbot festhalten.

Unmittelbar nach der Aufhebung des Verbots hatte Herausgeber Elsässer das Vorgehen des Innenministeriums süffisant kommentiert: Vor "Faesers Attacke" hätten sein Magazin "vielleicht zwei Millionen Deutsche gekannt". Nach der Razzia "dürften es 60 Millionen sein", entsprechend steige die "publizistische Schlagkraft" seines Blattes.

Unmittelbar vor Verhandlungsbeginn gab Elsässer, der in Begleitung seiner Ehefrau erschienen war, eine Stellungnahme vor dem Gerichtsgebäude ab. Da es sich um ihren Hochzeitstag handele, sei es ein "Glückstag", weswegen man davon ausgehe, "dass nichts schiefgehen kann". In einer Demokratie könne man ein Magazin wie Compact nicht verbieten. Elsässer weiter:

"Denn Compact verteidigt die freiheitlich-demokratische Ordnung gegenüber den autoritären Übergriffigkeiten der Regierung."

Die Zeitschrift bestehe nunmehr seit 15 Jahren, sei "nie verurteilt, geschweige denn angezeigt worden wegen irgendwelcher Inhalte". Juristisch gesehen habe man eine "saubere Weste", was Rassismus, Antisemitismus oder Gewaltaufrufe anbelange. Compact sei ein "legales Organ seit 15 Jahren am Kiosk". Ein Verbot des Magazins und des Verlages durch die "Hintertür mit dem Vereinsrecht" wäre ein "schwerer Schlag gegen die demokratisch-freiheitliche Ordnung". Elsässer äußerte die Hoffnung, dass die Richter des BVerwG, nachdem sie im August den "Ernst der Situation" erkannt hätten, auch "jetzt eine objektive Beschlussfassung gewährleisten".

Die Zeit hat vorab Einblick in die Rechtsauffassungen von Innenministerium und Zeitschriftenverlag erhalten und teilt nicht ohne Stolz mit: "In den vergangenen elf Monaten haben die Rechtsbeistände von Bundesinnenministerium und Compact in einer Reihe juristischer Schriftsätze ihre Argumente ausgetauscht, allein die ZEIT ONLINE vorliegende Korrespondenz umfasst fast 500 Seiten."

Zunächst sind drei Verhandlungstage bis Donnerstag dieser Woche angesetzt; die Entscheidung soll noch im Juni fallen.

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