Leistungslos reich trotz Krise: Führungspersonal des deutschen Kapitals kassiert ab

Die Gehälter deutscher Manager sind wieder einmal kräftig angestiegen. Obwohl die Masse der Bevölkerung unter Wirtschaftskrise, Inflation und Reallohnverlust leidet, kassierte das Spitzenpersonal der DAX-Konzerne 2023 so viel wie nie zuvor. Leistung spielte dabei keine Rolle.

Von Susan Bonath

Wirtschaftskrise, Teuerung, Jobabbau, Lohn- und Sozialkürzungen machen der deutschen Normalbevölkerung zu schaffen. Die Masse wird ärmer, ihr Leben unsicherer. Sie soll, so tönt es penetrant von "oben", den Gürtel immer enger schnallen. Das Spitzenpersonal des deutschen Kapitals betrifft das aber nicht. Im Gegenteil: Die Manager der Dax-Konzerne strichen zuletzt so viel Geld ein wie nie zuvor.

Millionengehälter auch ohne Leistung

Wie das Beratungsunternehmen EY in dieser Woche mitteilte, stiegen die Vergütungen des Spitzenpersonals der deutschen DAX-Konzerne um rund elf Prozent auf durchschnittlich 2,65 Millionen Euro Jahresgehalt. Vorstandschefs kassierten sogar 16 Prozent mehr als im Vorjahr, im Schnitt 3,7 Millionen Euro. Geschäftsführer kamen sogar auf rund 5,7 Millionen Euro.

EY hatte die Gehälter in den Chefetagen der Unternehmen im deutschen Aktienindex DAX (40 Großkonzere), im MDax (rund 50 mittelgroße Konzerne) und SDax (zirka 70 kleinere Unternehmen) ermittelt und staunte offensichtlich selbst über den deutlichen Anstieg. "Die sehr positive Gehaltsentwicklung vieler Vorstände im vergangenen Jahr mag auf den ersten Blick erstaunen, da die DAX-Unternehmen insgesamt eher stagnierende Umsätze und Gewinne verzeichneten", sagte Jens Massmann von EY.

Marketing mit Moralin

Das Wörtchen "Krise" vermeidet der Großkapitalberater dabei so geflissentlich, wie das Benennen der Vermögenszuwächse bei den Eigentümern der Konzerne. Stattdessen betreibt er Marketing mit bekannten, inhaltsleeren Moralsprüchen, zum Beispiel aus der Rubrik bürgerlicher "Feminismus": Frauen in Chefetagen verdienten demnach sogar etwas mehr als Männer – auch wenn sie weitaus weniger vertreten sind und ihre Gehälter von 2022 zu 2023 weit weniger stiegen als die der männlichen Mehrheit.

Um Leistung, die Politiker von Lohnabhängigen beständig fordern, geht es dabei offenkundig nicht. Laut EY müsse "eine schwache Entwicklung bei Umsatz, Gewinn- oder Aktienkurs" – manche nennen es Deindustrialisierung Deutschlands – "nicht zwangsläufig zu Gehaltsrückgängen in der Vorstandsetage führen". "Temporäre Einbußen" ließen sich leider nicht vermeiden, heißt es weiter. Und: Für ein sattes Gehaltsplus genügt es demnach, sehr miese Prognosen mit etwas weniger miesen Ergebnissen zu begegnen.

Die Leistung der hochbezahlten Topmanager bestand im Ganzen dann auch vor allem darin, Deutschland zum Schlusslicht beim Wachstum der Wirtschaftsleistung und bei der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu machen. Erst kürzlich senkte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose auf Null.  Auch die sogenannten "Wirtschaftsweisen" bliesen in dieser Woche entsprechend Trübsal. 

Lohnverlust und Sozialabbau für die Massen

Von Lohnzuwächsen von elf oder 16 Prozent können deutsche Normalverdiener derweil nur träumen. Die letzten Jahre bedeuteten für sie massive Reallohnverluste, die auch einige neuere Tarifabschlüsse, etwa in der Metallindustrie, nicht kompensieren konnten.  Wie die Hans-Böckler-Stiftung ermittelte , büßten Arbeitnehmer in der ganzen Europäischen Union (EU) vergangenes Jahr erneut an Kaufkraft ein.

Insgesamt wird die Lage der Lohnabhängigen in Deutschland immer prekärer. Während die Industrie abwandert und Arbeitsplätze abbaut, hat die inzwischen zerfallene Ampel das soziale Auffangnetz für Rausgefallene zuletzt wieder massiv ausgedünnt. So sollen etwa Bürgergeldbezieher trotz anhaltend hoher Preise für Energie und Lebensmittel 2025 eine Nullrunde in Kauf nehmen.

Wer als Arbeitsloser ungehorsam oder und nicht bereit ist, jeden Dumpingjob anzunehmen, den dürfen Jobcenter schon jetzt wieder härter sanktionieren, in bestimmten Fällen – womöglich verfassungswidrig – auch auf Null. Mit Friedrich Merz als wahrscheinlich neuem CDU-Kanzler droht Betroffenen noch Schlimmeres.

Milliarden für den Krieg, Maulkorb fürs Volk

Das Ausdünnen des sozialen Netzes ist fester Bestandteil neoliberaler Politik. Das Ziel dahinter ist es nicht zuletzt, allen Lohnabhängigen im unteren und mittleren Einkommensbereich einen Maulkorb zu verpassen. Wenn nach einer Kündigung der soziale Totalabsturz droht, werden Beschäftigte sich dreimal überlegen, ob sie gegen miserable Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne aufbegehren. Das Volk muss schließlich klein gehalten werden.

Anders als die Rüstungsindustrie: Kurz vor ihrem Abgang will die Resteampel unter dem Beifall der Unionsparteien CDU und CSU noch einmal kräftig neue Schulden aufnehmen: Ein zweites Sondervermögen von bis zu 200 Milliarden Euro soll in den Militärhaushalt gepumpt werden und am Ende auf den Konten der Rüstungsindustrie landen

Derweil schröpft sie den Sozialstaat nicht nur beim Bürgergeld, sondern an allen Ecken und Enden. Betroffen sind Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Senioren, das Gesundheitswesen, die Pflege, die Sozialberatung, die Obdachlosenhilfe – eigentlich fast alles.

NRW: Zehntausende gegen Sozialabbau

Im nordrhein-westfälischen Düsseldorf sorgten entsprechende Kürzungspläne immerhin für Protest in einer Größenordnung, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Am 14. November demonstrierten mehr als 30.000 Menschen in Düsseldorf gegen Sozialabbau. Sie waren einem Aufruf von Sozialverbänden und Gewerkschaften gefolgt.

Man könne "soziale Sicherheit nicht an- und ausknipsen wie eine Ampel", sagte die NRW-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) gegenüber der Berliner Zeitung junge Welt. Der Sozialverband VdK in Deutschlands größtem Bundesland warnt dazu in einer Mitteilung vor "dramatischen Folgen der anvisierten Haushaltskürzungen".

Umverteilung läuft

Diese Plagen der Normalbevölkerung kümmern die DAX-Konzernvorstände vermutlich ähnlich wenig wie führende Politiker. Der Inflation, der Wirtschaftskrise und allem Klagen und Jammern (etwa gegen Forderungen nach einer Vermögenssteuer) zum Trotz: Den Superreichen in Deutschland und ihrem Spitzenpersonal geht es anscheinend prächtig:

Die Umverteilung von unten nach oben läuft demnach bestens. Während die Bild in Dauerschleife gegen Bürgergeldbezieher hetzt und kranke Arbeitnehmer schon mal zu Faulenzern erklärt, knallen in den höchsten Konzernetagen wohl wieder die Champagnerkorken.

Anstoßen werden die CEOs, Vorstände und Aufsichtsräte vermutlich auch auf einen ihrer besten Lobbyisten: Friedrich Merz. Der wird die Superreichen ganz sicher nicht im Stich lassen – und übt sich derweil schon mal in der Kanzlerpose.

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