Gott der französischen Komödie: Warum wir Pierre Richard lieben

Filme mit ihm sind wie Sekt: leicht, prickelnd. Für viele ist dieser Schauspieler die Verkörperung der französischen Komödie. Am 16. August ist Pierre Richard 90 Jahre alt geworden.

Von Jeanna Starizina

Der liebenswerte Tollpatsch

Pierre Richards erste bemerkenswerte Filmrolle war die in einem Film von Yves Robert – wenn auch eine kleine, aber speziell für ihn geschriebene. Der Regisseur bemerkte das unkonventionelle Aussehen des Schauspielers, seine "naiven Augen", und sagte, dass es im französischen Kino unwahrscheinlich sei, für Pierre passende Rollen zu finden – er müsse sie sich schon selbst schaffen.

Und dann drehte er "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh", einen der populärsten Filme der damaligen Zeit. Die Hauptfigur ist ein einfältiger, charmanter Tollpatsch, der immer wieder in komische Situationen gerät und immer wieder – gerade so – mit dem Leben davonkommt. Pierre sah unglaublich natürlich aus in der Rolle eines lächerlichen Weltverbesserers.

Das Publikum erinnerte sich auch an das rassige Kleid von Richards Partnerin Mireille Darc, das den Rücken der Schauspielerin bis zum Gesäß entblößte. Über die Zusammenarbeit mit ihr sprach Pierre sehr herzlich und erinnerte sich daran, wie sie ihm die Manieren eines Stars beibrachte. Einmal saßen sie in einem Restaurant, er sah einen Journalisten auf sie zukommen und sprang auf, um seine Hand zur Begrüßung auszustrecken. Darc war entrüstet:

"Setzen Sie sich! Er ist derjenige, der uns ansprechen sollte."

Fantastische Körperbeherrschung

Richard studierte Schauspiel bei Charles Dullen und anschließend bei Jean Vilar, einem der größten Theaterregisseure Frankreichs. Letzterer engagierte seine Schüler als Statisten in Aufführungen. So begann die Karriere des späteren Stars mit Rollen namenloser Mönche, Soldaten und Bauern. Pierres Eltern waren von dieser Berufswahl enttäuscht, er hatte viele Jahre lang keinen Kontakt zu seinen Verwandten väterlicherseits.

In allen Rollen ist der Künstler erstaunlich beweglich: Er tanzt, rennt, fällt, springt, ringt, rollt sich herum. Diese Körperbeherrschung hat er offenbar von Natur aus. In dem Film "Die Regenschirmmörder" sitzt er mit 46 Jahren mühelos auf der Schnur. In Szenen von Kämpfen setzt er jede Art Ausrüstung mit meisterhafter Perfektion ein, egal, ob es sich um Regenschirme, Teppiche, Stühle oder sonstiges Mobiliar handelt. In jungen Jahren soll Richard an einem Vorspiel bei dem Choreographen Maurice Béjart teilgenommen haben, wo er zur Musik improvisierte und als Einziger die Auswahl bestand.

Duett für zwei Freunde

Die Dreharbeiten mit seinem Freund Gérard Depardieu waren nicht immer angenehm. Manchmal bringt der Druck des Regisseurs die Schauspieler zu einer solchen Vertiefung in ihre jeweilige Rolle, dass Depardieu den ihm körperlich unterlegenen Richard schon mal kräftig schlug und schüttelte.

Dieses Duo mochten das Publikum und Francis Weber: Er drehte mit ihm die Filme "Die Flüchtigen", "Der Hornochse und sein Zugpferd" und "Zwei irre Spaßvögel". Im Jahr 2015 waren die alten Freunde wieder gemeinsam auf der Leinwand zu sehen – in dem Film "Agafia" nach Erzählungen von Anton Tschechow. Obwohl sie vom Temperament her so unterschiedlich sind, ergänzten sie sich perfekt. Richard bemerkte einmal, dass Depardieu eine große physische Stärke, aber eine sehr zerbrechliche innere Welt hat. Und er selbst sieht nach außen hin schwach aus, was durch einen starken Charakter ausgeglichen werde.

Musikalische Söhne

Richard hatte keine Angst davor, auf der Leinwand lustig, lächerlich und unverschämt naiv zu wirken. Seine Figuren gerieten ständig in peinliche Situationen, fielen aus dem Fenster, wurden geohrfeigt. Doch hinter dem Humor verbargen sich auch ernste Themen. So warf der Film "Das Spielzeug" Fragen über finanzielle Ungleichheit, Unhöflichkeit von Vorgesetzten gegenüber Untergebenen oder die Probleme von Vätern und Kindern auf.

Pierre selbst hat zwei Söhne aus der Ehe mit der Ballerina Danielle Minazzoli. Sie haben keine einzige Premiere seines Vaters verpasst, fühlten sich aber im Alter von sieben oder acht Jahren wegen seiner komischen Rollen unwohl. Der Schauspieler nahm es gelassen und scherzte:

"Ich selbst habe Chaplin als Kind für einen Idioten gehalten."

Die Söhne wurden Musiker. Olivier spielt Saxophon, Christophe Kontrabass. Richard gab zu, dass er bei Familienkonzerten versuchte, sie auf dem Klavier zu begleiten, worauf die Kinder nur mit den Augen rollten.

Richard, der Regisseur

Nach dem Rat von Yves Robert, sich seine Rollen selbst zu erschaffen, eine "eigene Welt mit eigenen Helden, und dabei die eigenen Stärken und Schwächen zu nutzen", wandte sich Richard immer wieder der Regie zu. Zu seinen Werken gehören "Der Zerstreute", "Ich bin schüchtern, aber in Behandlung" (den Westdeutschen als "und jetzt das Ganze nochmal von vorn" bekannt) und "Zwei Kamele auf einem Pferd". In den Titelrollen ist er stets selbst zu sehen, immer als der naive Außenseiter. Aber das Publikum nahm diese Filme eher kühl auf, und Richard selbst gab zu, dass er mit ihnen nicht wirklich zufrieden war.

Heute ist der Schauspieler mit dem brasilianischen Model Ceyla Lacerda verheiratet. Er bewegt sich auf seinem Lieblingsmotorrad durch die Straßen von Paris. Im Allgemeinen mag er Autorennen, aber auch Reisen, Angeln und guten Wein. Im Jahr 1986 kaufte er 20 Hektar Weinberge und führte bald darauf die Marke Château Bel Évèque ein. Sein Sohn leitet den Betrieb, und Richard versucht, Ende August zur Weinlese zu kommen. Und er kommt immer zu einer Verkostung, um die Etiketten zu signieren.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Originalartikel ist am 16.08.2024 auf ria.ru erschienen.

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