Contergan-Wirkstoff soll wieder zum Einsatz kommen

An der Frankfurter Goetheuniversität forscht eine Gruppe zu alternativen Verwendungsmöglichkeiten des Contergan-Wirkstoffes Thalidomid. In den 60er-Jahren wurde Thalidomid schwangeren Frauen verschrieben und führte massenhaft zu Fehlbildungen bei Neugeborenen.

Der Wirkstoff Thalidomid war der zentrale Wirkstoff des Arzneimittels Contergan. In den 60er-Jahren wurde es schwangeren Frauen verabreicht und führte massenhaft zu Fehlbildungen bei Neugeborenen. Damals hatte das Pharmaunternehmen Grünenthal diese Folgen zunächst geleugnet. Erst viel zu spät musste Contergan vom Markt genommen werden.

Die Forschung zum Wirkstoff Thalidomid war damit aber nicht beendet. Wie das Wissenschaftsmagazin Scinexx Mitte Mai berichtete, wird an der Goethe-Universität in Frankfurt (Main) zurzeit erforscht, wie man das Mittel gegen Krebs einsetzen könnte. Im Teaser des Artikels schreibt Scinexx: "Positiver Nebeneffekt eines berüchtigten Wirkstoffs: Varianten des Contergan-Wirkstoffs Thalidomid könnten dabei helfen, resistente Krebszellen zu bekämpfen."

Laut Aussage des Seniorautors der Goethe-Universität, Xinlai Cheng, gebe es zwei Wirkweisen von Thalidomid. Der Wirkstoff würde zwei verschiedene Proteine zueinander bringen. Wobei eines der Proteine in der Lage sei, dem anderen ein "Label" anzuheften mit der Aufforderung, "muss entsorgt werden." Daraufhin würde die "zelluläre Müllabfuhr" das gelabelte Eiweißmolekül "schreddern."

"Je nachdem, welches Protein markiert wird, kann das bei der Embryonalentwicklung zu Fehlbildungen führen oder einen Tumor abtöten", zitierte das Fachmagazin den Wissenschaftler.

Mit der Fähigkeit von Thalidomid, diese beiden verschiedenen Proteine zusammenzubringen, ergäben sich neue Möglichkeiten in der Krebstherapie. Studien mit dem Medikament hätten bereits gezeigt, "dass Thalidomid durch diesen Prozess das Wachstum von Blutgefäßen unterbindet und so dabei helfen könnte, Tumoren von ihrer Nährstoffversorgung abzuschneiden."

Schließlich soll Thalidomid noch einen weiteren chemischen Prozess ermöglichen, womit man den Krebs bekämpfen könne. Eine chemische Modifikation von Thalidomid könnte das Präparat zu einem "Klebstoff" für ein Eiweißprotein namens BCL-2-Protein transformieren. Dieses Protein verhindere nach Angaben des Seniorautors der Universität in Frankfurt, dass das Selbstmordprogramm von Zellen aktiviert würde. Es liest sich so, als stehe und falle "das Selbstmordprogramm von Zellen" mit diesem Protein – was womöglich mit Thalidomid aktiviert würde.

Bei der aktuellen Forschung um neue Einsatzmöglichkeiten für Thalidomid handele es sich um einen vielversprechenden Anfang, schreibt Scinexx weiter. Cheng und sein Team würden demonstrieren, dass neue Thalidomid-Präparate "durchaus die Basis bilden könnten für neue vielversprechende Wirkstoffe – gerade in der Krebsmedizin."

"Sie zeigen, dass veränderte Thalidomid-Moleküle ein großes therapeutisches Potenzial haben", so der Forschungsleiter. 

Die geschädigten Opfer von Thalidomid sind heute rund sechzig Jahre alt, sofern sie noch leben. Hierzulande werden die Entschädigungen und Renten nicht vom Pharmakonzern Grünenthal bezahlt, sondern mittlerweile vollständig vom deutschen Steuerzahler.

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