"Völkische" Massenbasis oder "bunter" NATO-Faschismus?

Die Diffamierung des sozialen Protests funktioniert nicht mehr. Die teils ausufernde Polizeigewalt, mit der der Staat auf die Proteste der Bauern und anderer Werktätiger reagierte, legt die Nervosität bloß, die in Politik und Repressionsapparaten inzwischen herrscht. Wo stehen wir heute?

Von Martin Eulenburg

Wie soll und kann es mit dem Gemeinwesen weitergehen? Wer bestimmt Inhalt und Richtung der Politik? Wie steht es um die etablierten Institutionen? Werden die Interessen der Mehrheit – einmal großzügig unterstellt, dies sei in der Bundesrepublik Deutschland je der Fall gewesen – noch vertreten?

Sicher, nach 1945 musste der Kapitalismus sich im westdeutschen Separatstaat aufhübschen und tüchtig anstrengen (Bertolt Brecht/Hanns Eisler/Ernst Busch: "Der anachronistische Zug oder Freiheit und Democracy"), nicht zuletzt angesichts der alsbald propagierten, jedoch zutiefst unpopulären Remilitarisierung, um als das attraktivere Modell in der globalen Systemkonkurrenz des Kalten Krieges zu erscheinen. Die KPD, die gegen die Wiederbewaffnung antrat, wurde verboten und bleibt es bis heute.

Auch wenn die Kriegs- und Weltherrschaftsziele des in Westdeutschland restaurierten Imperialismus und seiner faschistischen Kräfte die gleichen blieben: Nach der Kapitulation war der Hitlerfaschismus zu sehr weltweit diskreditiert, als dass sie unter gleicher äußerer Erscheinung weiterverfolgt werden konnten. Die neuen Kräfteverhältnisse erforderten die Unterordnung des westdeutschen Großkapitals unter die USA und die NATO. Das blieb der einzig mögliche Hebel zu "neuer Größe". Damit auch die ideologische Unterordnung: Die reaktionärsten Kreise traten von nun an unter der Maske von "Re-Education" und "Totalitarismustheorie" auf. Sogar die "Frankfurter Schule" beriet insgeheim die alten Wehrmachtsgenerale beim Aufbau der Bundeswehr. Ab den 1970er-Jahren, mit dem "Club of Rome" und seinen "Grenzen des Wachstums", fand die äußerste Reaktion einen konstanten Verbündeten in der "grünen" Ideologie bis
heute. Die Rolle von Altnazis in gemeinsamer Fronde mit Ultralinken bei der Gründung der gleichnamigen Partei war kein bloßer Geburtsfehler, sondern blieb ihr ideologischer Grundstoff bis zu Annalena Baerbock und Robert Habeck.

Nach 1989/90 und der vorläufigen Niederlage des Sozialismus in Europa hat der US-dominierte deutsche Imperialismus samt seiner um die annektierte DDR vergrößerten BRD allerdings immer weniger Schminke aufgelegt. Er kehrte sozusagen zum Normalbetrieb zurück, wie es außerhalb von Europa vor 1989 von jeher der Fall war. Allerdings haben die dem System eigenen Widersprüche in den Jahrzehnten seit 1990 unvermeidlich dazu geführt, dass die inneren Gegensätze und die äußeren Konflikte immer öfter in offene Gewalt münden. Dies nicht zuletzt deshalb, weil von der westlichen Politik zielstrebig nahezu alle bis 1989 mehr oder weniger notgedrungen hingenommenen Beschränkungen des liberalen Kapitalismus – als da wären: Sozialstaat, demokratische Rechte, Abrüstungsverträge und Völkerrecht – systematisch abgebaut oder missachtet wurden. Die Beschwörung einer Rückkehr zur "guten" Sozialdemokratie der 1970er-Jahre ist heute eine hoffnungslos illusorische Rückwärtsutopie.

Was die deutsche Bourgeoisie betrifft, so gab sie sich nach 1990 kurz dem euphorischen Wahn hin, das "Neue Normal", das der Sieg der Roten Armee 1945 über sie verhängte, sei nun Geschichte. Seit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines durch den "Großen Bruder" ist klar, dass das "Ende der Geschichte" sie nur umso tiefer in die Abhängigkeiten von diesem verstrickte. Während Franz Josef Strauß die BRD noch als "politischen Zwerg und wirtschaftlichen Riesen" bezeichnete, ist von Angela Merkel bis zur "Ampel" mit der weiteren politischen auch die wirtschaftliche Verzwergung besiegelt
worden.

Gegenüber RT DE erklärte Klaus Linder, ehemaliger langjähriger Vorsitzender des Berliner Landesverbandes der Freidenker, wie sich die Kräfteverhältnisse zugespitzt haben und vor welchen Aufgaben Antifaschisten in der aktuellen Lage stehen.

So geht Linder davon aus, dass die "gegenwärtige Regierungsform in Deutschland" die "Faschisierung" bereits so weit vorangetrieben habe, dass man von einer "unmittelbaren Vorbereitungsetappe zur Aufrichtung des Faschismus" sprechen könne, in der wir uns im Augenblick befänden. Dies festzustellen bedeute jedoch keinen Determinismus, demzufolge es unvermeidlich zu einem neuen Faschismus durch den Austausch der Regierungsform kommen müsse.

Eine solche "defätistische Auslegung" sei vielmehr abzulehnen. Auch wenn viele Anzeichen auf einen kommenden Faschismus hindeuteten, so lasse er sich noch verhindern. Gerade in der gegenwärtigen "Vorbereitungsetappe" könne ihm in den Arm gefallen werden. Das Potenzial der Bevölkerung dazu, so Linder, sähen wir gerade zum Beispiel an den "Bauernprotesten". Die Zurückhaltung der Arbeiterklasse, die – wie übrigens auch die Bauern – über keine Partei mehr verfügt, die ihre Interessen verträte, dürfe nicht als Passivität missdeutet werden. Der Faschismus kann von den Herrschenden nicht über Nacht und per Knopfdruck etabliert werden. Damit dieser Stopp gelingen könne, müsse man sich darüber klar werden, in welcher Etappe sich die Gesellschaft national und international befinde, so Linder.

Das setze allerdings die "Identifizierung der Triebkräfte voraus, von
denen er tatsächlich ausgeht und vorangetrieben wird". Man müsse sich verdeutlichen,

"dass ein Faschismus an der Macht von genau denjenigen Kräften kommen würde, die jetzt schon durch die Ampel repräsentiert werden (und davor durch Merkel). Und das sind die Kräfte maximaler Unterordnung unter die USA und ihren Hebel NATO. Es sind die Kräfte, die auf die Zwingburg EU angewiesen sind, die Regenbogen-Faschisten unter 'kosmopolitischer' Maske."

Seien erst einmal diese potenziellen Trägerkräfte für eine neue faschistische Ordnung, die im antifaschistischen Gewand auftrete, ausgemacht, komme es auch auf das "Wie" für eine antifaschistische Strategie an. Aus dem Gesagten folgt für Linder, dass hierzulande ein neuer Faschismus eher durch einen "kalten" oder "heißen" NATO-gesteuerten Putsch oder einen anderen NATO-gesteuerten Weg der Liquidierung der Reste parlamentarischer Demokratie an die Macht gelangen würde.

"An USA und NATO vorbei wird ein Land, dessen Außenministerium nach der Pfeife der hierzu eingebürgerten Jennifer Morgan (Tiefer Staat in den USA, Greenpeace) tanzt, keinen weiteren Schritt der Faschisierung tun können. Ein Festhalten am 'Unternehmen Barbarossa II gegen Russland' sei Kernelement der weiteren Faschisierung", so Linder.

So sehr selbst der Bandera-Faschismus aus dem deutschen Schoß entsprungen sei: Ein existenzfähiger Faschismus "an der Macht" müsse in Deutschland in gewissem Maße reimportiert und von außen abgesichert werden und könne nicht durch Mobilisierung einer inländischen Massenbasis erreicht und an der Macht erhalten werden. Deshalb seien subjektive Interpretationen und "soziologische Erhebungen" über "rechtes Gedankengut" und "konnotierte Vokabeln" der unterdrückten Klassen sowohl Ablenkungsmanöver als auch Zeitverschwendung.

Um einen solchen faschistischen Umsturz zu kaschieren, leisten die vielfach genutzten Regime-Change-Techniken ihre Dienste – mit den bekannten Elementen einer "Bunten" oder "Farbrevolution", die das provokatorische Potenzial zum Bürgerkrieg in sich tragen. Die Faschisierung sei, so Linder, auf gesteuerte Bodentruppen angewiesen, die das autoritäre Regieren der Exekutive, über die Vorwände etlicher Ausnahmezustände, als Pseudo-Außerparlamentarische Opposition auf der Straße fordern und durch unausgesetzte Provokationen gegen die Werktätigen vorantreiben. Solche Bodentruppen der Faschisierung seien beispielsweise "Fridays for Future", die "Letzte Generation", "Pulse of Europe" sowie simulierte "Bündnisse gegen rechts", die auch naive Wohlmeinende einzubinden vermöchten.

Während die deutsche Version der "Corona-Maßnahmen" weitgehend zur Einführung des autoritären Verordnungsregierens durch die Exekutive genutzt werden konnte, sei die zentrale Offensive zur Erreichung des Ausnahmezustands und Bekämpfung der Werktätigen weiterhin in der "Klimarettungsideologie" zu sehen, die die panischen Apokalypse-Ängste des krisengeschüttelten Bürgertums sozusagen zeitlos schürt. Die Klima-Ideologie ging bruchlos in die der "Zeitenwende" des imperialistischen Krieges und der Sanktionspolitik über. Das Ganze wird weiterhin überwölbt durch den angeblichen "Kampf gegen Rechts", unter dessen irreführenden Vorwänden aktuell die letzten demokratischen Rechte weiter geschleift werden sollen (AfD-Parteiverbot, Entzug von Grundrechten, "Rollator-Putsch").

Doch genau darin bestünden die Täuschungsmanöver in der erwähnten "Vorbereitungsetappe", worauf Linder nicht müde wird hinzuweisen. Demzufolge sei die "den 'links'-opportunistischen Einflussnehmern so teure Gebetsformel, der Faschismus komme in Deutschland 'wie 1933' durch eine inländische Massenbasis und ihr 'falsches Bewusstsein' an die Macht", nichts als eine "Nebelkerze, die der Faschisierung ausschließlich nützt".

Natürlich dürften in einem solchen Panik-Szenario die ultimativen Feindbilder nicht fehlen: Der neue Faschismus, übrigens ganz wie der alte, werde sich extrem antirussisch – und antichinesisch – gebärden. Auch dazu laufen seit Jahren die propagandistischen Vorbereitungen, was auf RT DE nicht näher ausgeführt zu werden braucht.

So gebe es eigentlich nur noch ein Szenario, allerdings ein akutes, wie der Faschismus in Deutschland wieder an die Macht gelangen könnte. Und dies sei dasselbe wie in der Ukraine: "durch die USA, die NATO und ihre Handlanger". Im Prinzip ist es dasselbe Muster wie schon "vor Jahrzehnten in Griechenland". Je mehr in Deutschland die "demokratischen", gar "antifaschistischen" Masken fielen, desto deutlicher komme dabei aber wieder das Gesicht des in der BRD niemals beseitigten "alten" Faschismus zum Vorschein.

Linder begründet seine Analyse folgendermaßen:

"Dies sind nun mal die Bedingungen, Kräfte- und Hegemonieverhältnisse in Europa seit 1945. Darum ist es den Kräften der Faschisierung, die wir am Wochenende in Potsdam erlebten, mit Scholz, Baerbock, Neubauer – die sich woanders kaum noch auf die Straße trauen könnten – eminent wichtig, dass sie das gesamte verrannte 'links'-opportunistische Kontinuum, von 'Omas gegen Rechts', junge Welt, VVN-BdA und so weiter und so fort, die
Insolvenzmasse der Linkspartei, dazu etliche 'zivilgesellschaftliche' sogenannte Nichtregierungsorganisationen immer mit im Boot haben. Und selbstverständlich diejenigen SPD-gesteuerten leitenden Gewerkschaftsapparate, die mit 'Zeitenwende' und grüner Transformationsideologie auf Kriegs- und Faschisierungskurs gehalten werden – gegen die Interessen ihrer Mitglieder. Sie brauchen das, weil sie keine Massenbasis mehr haben und auch keine mehr bekommen können."

Es gelte, so Linder, das Wort von Georgi Dimitroff: "Der Faschismus ist eine grausame, aber keine feste Macht." Dies umso mehr, als die Formierung der internationalen Gegenkräfte, geführt durch die Kooperation von Russland und China, unter dem Schlagwort "Multipolare Weltordnung" den kombinierten Imperialismus zwar noch nicht zum Papiertiger machte, aber im Begriff steht, ihm eine epochale Niederlage zu bereiten.

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