Im Zeitraum zwischen 1973 und 2018 sei die Spermienkonzentration von durchschnittlich 101 Millionen auf 49 Millionen Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit gesunken, belegt eine in der Zeitschrift Human Reproduction Update veröffentlichte Metaanalyse. Seit dem Jahr 2000 sinkt demnach die durchschnittliche Spermienzahl etwa zweieinhalb Prozent jährlich.
Hagai Levine, Erstautor der Studie von der Hebräischen Universität Jerusalem, ist der Ansicht, solch ein drastischer Rückgang zeuge von einer allgemein abnehmenden Reproduktionsfähigkeit der Bevölkerung weltweit.
"Ich denke, es ist eine Krise, die wir jetzt besser angehen sollten, bevor sie einen möglicherweise nicht umkehrbaren Wendepunkt erreicht."
Die Forschergruppe aus Israel hatte bereits im Jahr 2017 entdeckt, dass die Spermienkonzentration bei Männern sinkt. Allerdings wurden damals nur Studien über Männer in Ländern Europas und Nordamerikas sowie in Australien untersucht. Vermutet wurde ein Zusammenhang mit dem Lebensstil in industrialisierten Ländern wie etwa Stress oder Übergewicht. Jetzt wurden aber auch Studien aus Südamerika, Afrika und Asien aus insgesamt 53 Ländern untersucht. Es zeigte sich, dass der Rückgang der Spermienkonzentration ein weltweites Phänomen ist.
Zu den Ursachen schreiben die Autoren nichts. Die aktuelle Studie sei nicht darauf ausgelegt worden, diesbezügliche Informationen zu liefern. Zugleich geben die Wissenschaftler an, dass ein Rückgang der Spermienzahl Auswirkungen über die Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsfähigkeit hinaus haben könne. Demnach soll eine niedrige Spermienkonzentration ein Risikofaktor für Hodenkrebs sein.
Richard Sharpe, Experte für männliche reproduktive Gesundheit an der Universität Edinburgh, sagte, der entscheidende Punkt sei, dass Frauen wegen des Rückgangs der Spermienkonzentration länger brauchen könnten, um schwanger zu werden. Vielen würde dabei die Zeit davonlaufen, da bei Frauen in ihren 30ern oder 40ern die Fruchtbarkeit bereits reduziert sei. Es bedeute auch ein größeres Problem für die Gesellschaft, da in den kommenden rund 50 Jahren immer weniger junge Menschen arbeiten würden und die Zahl älterer Menschen, die ihre Unterstützung bräuchten, wachsen werde.
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