Ukrainischer Schriftsteller muss Rechtsextremisten weichen: Straßenumbenennung in Lwow

Straßenumbenennungen im Rahmen der "Dekolonisierung" und "Entrussifizierung" sind in der Ukraine keine Neuigkeit. Wenn aber ein ukrainischer (sic!) Schriftsteller einem offenen Rechtsextremisten auf dem Straßenschild Platz machen muss, erscheint dies dennoch beachtenswert.

Im Rahmen der groß angelegten gesamtukrainischen Kampagne zur "Entrussifizierung" haben Abgeordnete des Stadtrats von Lwow weitere acht Straßen der Stadt "ukrainisiert". Wie das ukrainische Nachrichtenportal Zaxid.net unter Verweis auf den Vize-Bürgermeister Andrei Moskalenko mitteilte, handelte es sich hauptsächlich um Straßen in der Nähe des Stadtzentrums. So erhielt etwa die Tschajkowski-Straße den Namen des ukrainischen Komponisten Miroslaw Skorik.

Bemerkenswert ist indessen eine weitere Umbenennung, zu der Zaxid.net schrieb:

"Die Wladimir-Korolenko-Straße, wo die Kathedrale der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats liegt, wurde zu Ehren des gefallenen Anführers des 'Rechten Sektors' im Gebiet Lwow, Taras Bobanitsch, Rufname 'Hammer', umbenannt."

Dabei kann Wladimir Korolenko, dessen Werke aus dem ukrainischen Schulprogramm jüngst gestrichen wurden, kaum als Nichtukrainer angesehen werden. Der Schriftsteller, Journalist und gesellschaftliche Aktivist wurde im Jahr 1853 in der nordwestukrainischen Stadt Schitomir geboren und stammte einer Familienüberlieferung zufolge von einem Kosakenoberst ab. Seine Großtante, Jekaterina Korolenko, war die Großmutter des Wissenschaftlers Wladimir Wernadski, dessen Konterfei heute die ukrainische 1000-Griwna-Banknote ziert. Im Laufe seines Lebens wurde Wladimir Korolenko für sein bürgerliches Engagement von der russischen Zarenregierung mit mehreren Verbannungen, darunter nach Sibirien, bestraft. Im Jahr 1900 ließ er sich in der ukrainischen Stadt Poltawa nieder, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1921 lebte.

Trotz der erwähnten Tatsachen schien eine "Dekolonisierung", wie Zaxid.net es in Bezug auf die Straßenumbenennungen formulierte, für den Stadtrat von Lwow in Korolenkos Fall dennoch angebracht zu sein. Möglicherweise, weil der gebürtige Ukrainer seine Werke in russischer Sprache verfasste, welche die Lwower Behörden inzwischen aus der Öffentlichkeit zu verbannen versuchen. Jedenfalls schien Taras Bobanitsch für die Stadtverwaltung die bessere Alternative darzustellen.

Der 1989 geborene Bobanitsch trat noch im Jahr 2013 dem "Rechten Sektor" bei – einer Organisation, die auch im Westen als rechtsextrem gilt und der etwa die Zeitschrift Time eine Nähe zum Faschismus attestierte. Seit 2014 kämpfte Bobanitsch im Donbass und fiel am 11. April 2022 südlich der Stadt Isjum. Russlands Verteidigungsministerium legte ihm die Erteilung von Befehlen über den vorsätzlichen Artilleriebeschuss von Wohngebieten in Donezk und Lugansk zur Last. Eben ein Held der heutigen Ukraine.

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