Kulturaustausch mit Russland bleibt lebendig – trotz Sanktionen und Cancel Culture

Russische Kultur fällt dem Ukraine-Konflikt zum Opfer. Mehrere Länder verbannen Werke russischer Künstler. Selbst Klassiker wie Dostojewski sind in den Sog der "Cancel Culture" geraten. Der Eindruck, dass der russische Kulturbereich isoliert sei, trügt jedoch.

Nach wochenlangem Bangen sind Exponate, die seit Beginn des Ukraine-Konflikts im Ausland gestrandet waren, endlich in russische Museen zurückgekehrt. Frankreich, Italien, Südkorea und das Vereinigte Königreich haben Museumsobjekte zurückgegeben, die für Ausstellungen ausgeliehen worden waren. In einigen Ländern war dieser Rückgabe eine öffentliche Debatte vorausgegangen, ob auch russische Museumsschätze gleich dem Eigentum von Oligarchen beschlagnahmt werden sollten.

Nun sind die Ausstellungsstücke wieder in der Heimat. Diese Rückkehr dürfte eine Zusammenfassung der jahrzehntelangen musealen Partnerschaft zwischen Russland und dem Westen sein, auf dessen Initiative hin die Zusammenarbeit ausgesetzt wurde. Die Partnerschaft scheint für viele Jahrzehnte beendet. Das Staatliche Russische Museum in Sankt Petersburg hat bereits angekündigt, dass es keine Ausstellungen im Ausland mehr plant. Michail Piotrowski, Generaldirektor der Eremitage, sagte dasselbe. "Angesichts der aktuellen Situation werden wir im kommenden Jahr keine Genehmigungen für Ausstellungen außerhalb der Russischen Föderation erhalten", zitierte ihn die Nachrichtenagentur TASS.

Michail Schwydkoi, der Vertreter des russischen Präsidenten in Sachen internationale Kulturkooperation, erklärte der Nachrichtenagentur Interfax, dass bis zu einer Entspannung der weltweiten Lage keine Kunstwerke aus den russischen Museumsfonds ins Ausland geschickt werden. Auch nicht in befreundete oder neutrale Länder.

Die Maßnahme ist eine Reaktion auf die gegen Russland gerichtete Cancel Culture, in deren Rahmen auf Initiative des Westens nicht nur der kulturelle Austausch in den Bereichen Theater, Musik, Museen und Konzerte gänzlich eingestellt, sondern auch die russische Klassik verbannt wurde. So sind Vorlesungen über Dostojewskis Werke an Universitäten verboten und die Musik Tschaikowskis aus Konzertprogrammen gestrichen.

Während in der deutschen Presse heftig über die derzeitige Ausgrenzung der russischen Kultur im Westen debattiert wird, wirkt sie inzwischen völlig isoliert. Oder, wie der ehemalige russische Journalist Michail Sygar in einer Kolumne für das Magazin Der Spiegel schrieb, "wie in eine Pestbaracke eingesperrt".

Das dürfte jedoch eine Übertreibung sein, denn die Sanktionsmaßnahmen konnten den kulturellen Dialog nicht völlig zum Erliegen bringen.

Im Pantheon zu Rom wurde kürzlich eine Ausstellung des russischen Künstlers Andrei Jessionow eröffnet, die vom italienischen Verlag Il Cigno mit Unterstützung des Vatikans organisiert worden war und in sieben Kirchen der Ewigen Stadt zu sehen sein wird. Jessionows "Das letzte Abendmahl" wurde dem italienischen Publikum von dem prominenten Kunsthistoriker Vittorio Sgarbi vorgestellt, der sich übrigens seit den ersten Tagen der Ukraine-Krise für die russische Kultur einsetzt. Das eklatante Totalverbot russischer Kunst bezeichnet er als "buchstäblich absurd" und rassistisch.

Sgarbi mahnt, dass Kultur nicht als "Erpressungswaffe eingesetzt" werden dürfe.

Trotz des Boykotts der russischen Kultur zieht das Sommermusikfestival "Paläste von Sankt Petersburg" weiterhin Musiker aus Italien und Deutschland an. Alle ausländischen Freunde des Festivals "sind immer noch bei uns", sagte Festivalleiterin Maria Sarafjanz in einem Interview mit der Agentur TASS. So werden beispielsweise in diesem Jahr der italienische Saxophonvirtuose Federico Mondelci und die von der deutschen Presse gern als "die verrückte Königin der Barockmusik" bezeichnete Sopranistin Simone Kermes beim Festival auftreten. Laut dem Zeitplan auf Kermes' Webseite findet ihr Konzert in Sankt Petersburg am 26. Juni statt. Das Festival, das noch bis zum 1. Juli läuft, wird in Palästen in und um Sankt Petersburg veranstaltet.

Das Moskauer Jazzfestival unter der Leitung des Jazzmusikers Igor Butman, das Mitte Juni stattfindet, "wird das größte Projekt in der Geschichte des russischen Jazz sein und sich über die gesamte Stadt erstrecken", erklärte das Organisationsteam der Agentur TASS. Trotz der Sanktionen gegen die russische Kultur werden auf dem Festival berühmte Jazzmusiker aus Indien, Brasilien, Kuba, der Türkei und Serbien auftreten.

Eine Erfolgsgeschichte in schwierigen Zeiten ist auch die Teilnahme der Absolventinnen des Russischen Instituts für Theaterkunst am ersten internationalen Festival der Akademie für Musiktheater, das vom 2. bis 14. Mai in Nîmes (Frankreich) über die Bühne ging. Die Auswahl für das Festival hatte bereits im Februar stattgefunden. Trotz der schwierigen Situation hatte die Französische Akademie die russischen Teilnehmerinnen Irina Derjabina und Wiktorija Agarkowa für das Festival ausgewählt, sie bei der Beschaffung des französischen Visums unterstützt und ihnen einen Zuschuss für die Reise- und Aufenthaltskosten gewährt.

Sowohl das russische Institut als auch die Künstler seien in allen offiziellen Informationsmaterialien des Festivals erwähnt worden, betonte Grigori Saslawski, Theaterkritiker und Rektor des Instituts, in einem Kommentar für die Agentur TASS. Angesichts der aktuellen Situation bezeichnete er dies als "fantastisch".

Am 23. Mai wurde in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Internationale Buchmesse von Abu Dhabi eröffnet, an der Russland auch in diesem Jahr beteiligt ist. "Seit 2019 nimmt Russland an der Abu Dhabi International Book Fair teil. Am Messestand Russlands werden Dutzende von Neuerscheinungen literarischer und historischer Bücher sowie Kinder- und Jugendliteratur ausgestellt", teilte der Vereinigte Verlag für Geisteswissenschaften der Agentur TASS mit. Die Internationale Buchmesse in Abu Dhabi ist eine wichtige Veranstaltung, die jährlich die bedeutendsten Akteure der Verlagsbranche aus der ganzen Welt zusammenbringt. Im Jahr 2021 hatten mehr als 150.000 Menschen die Messe besucht.

Die Neuausrichtung des Kulturaustauschs auf den Osten und die asiatischen Länder scheint ein neuer Trend in der russischen Kulturlandschaft zu werden. Auf einem kürzlich abgehaltenen Treffen der Kulturminister der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), an dem unter anderem auch Indien und China teilnahmen, wurde eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Museumsbereich verabschiedet, die die sichere Aufbewahrung und rechtzeitige Rückgabe von Museumsobjekten im Rahmen des Museums- und Ausstellungsaustauschs garantiert. Der Pressedienst des russischen Kulturministeriums teilte TASS mit, dass das Dokument günstige Bedingungen für die Entwicklung der Museumskooperation schaffen sowie wissenschaftliche Programme in den Bereichen Archäologie, Restaurierung und Expertise fördern soll.

Unterdessen hielt der ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa, dessen Film für das diesjährige Filmfestival in Cannes ausgewählt worden war, eine Rede anlässlich der Verleihung des französischen Kulturpreises für seinen Beitrag zur Filmkunst.

In seiner Rede nahm Loznitsa die russische Kunst und Kultur in Schutz. Er erklärte:

"Die Forderung nach einem Verbot der Kultur ist mit der Forderung nach einem Verbot der Sprache vergleichbar. Eine solche Forderung ist ebenso unmoralisch wie irrsinnig."

"Wie kann man eine Sprache verbieten, die von 350 Millionen Menschen auf der ganzen Welt gesprochen wird? Nun wende ich mich an Sie in meiner Sprache, der Sprache, die ich seit meiner Kindheit in meiner Heimatstadt Kiew spreche. Dies ist die Sprache, die von den meisten Flüchtlingen aus den östlichen Regionen der Ukraine gesprochen wird."

Loznitsa rief die Kunstschaffenden dazu auf, gesunden Menschenverstand zu bewahren, die Kultur zu schützen und "sich gegen jede Form der Barbarei zu wehren".

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