Die hohen Strahlungswerte außerhalb des uns schützenden Erdmagnetfeldes stellen eine große Belastung für den menschlichen Körper und deshalb auch ein noch zu lösendes Hindernis für zukünftige längere Reisen zum Mond oder Mars dar. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR) forscht deshalb auch zur Beherrschung des Strahlungsrisikos für die bemannte Raumfahrt. Eines der Projekte, welches die Wissenschaftler gemeinsam mit der NASA, der israelischen Raumfahrtagentur ISA sowie den Firmen Lockheed Martin und StemRad durchführen, ist das Projekt MARE (Matroshka AstroRad Radiation Experiment).
Helga und Zohar nennen die Wissenschaftler ihre Dummys, die sie als Beitrag zum Artemis-Programm der NASA noch 2022 zum Mond schicken wollen. Die sogenannten Phantome oder Attrappen, die speziell auf den weiblichen Körper zugeschnitten sind, sollen während ihres insgesamt sechswöchigen Fluges im All speziell den Einfluss der dort herrschenden Strahlenbelastung auf den weiblichen Organismus messen. Denn die amerikanische Raumfahrtbehörde plant, ab 2024 zum ersten Mal auch Frauen zum Mond zu schicken.
Der Grund für das geschlechtsspezifische Experiment liegt darin, dass Frauen aus medizinischer Sicht ein allgemein höheres Krebsrisiko haben, weshalb für Astronautinnen bei ihren Missionen im All auch stets andere Strahlenbelastungsgrenzwerte als für ihre männlichen Kollegen gelten.
Deshalb sind die "Messpuppen-Zwillinge" auch von Struktur und Materialien eher weiblichen als männlichen Körpern nachempfunden. "Genauer sind beide Puppen aus Materialien hergestellt, die die menschlichen Knochen, Weichteile und Organe einer erwachsenen Frau nachahmen. Mehr als 10.000 passive Sensoren und 34 aktive Strahlungsdetektoren sind in die 38 Scheiben integriert, aus denen die Puppen zusammengesetzt sind", erklärt Dr. Thomas Berger, der Leiter des DLR-Projekts, auf der entsprechenden Webseite.
Einen Unterschied haben die Zwillinge für den Strahlungs-Crashtest: Während die Puppe namens Helga (die Heilige) im Rahmen des Experiments ungeschützt zum Mond fliegen wird, darf hingegen die andere – Zohar (die Brillante) – eine neu entwickelte Strahlenschutzweste "AstroRad" tragen. Durch späteren Vergleich der Datensätze beider Dummys soll dann bei der Auswertung der Artemis-Mission ermittelt werden, in welchem Ausmaß die zusätzliche Weste eine Astronautin besser vor schädlicher Strahlungsbelastung schützen würde.
Die Strahlenexposition ist bei Raumflügen außerhalb des Erdmagnetfeldes nämlich enorm hoch. Die beiden Phantomkörper werden vermutlich auf ihrem Weg zum Mond einer bis zu 450-mal höheren Strahlenbelastung als auf der Erde ausgesetzt sein. Die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS ist ständig weitaus geringerer Strahlenbelastung ausgesetzt, weil die ISS auf ihrem erdnahen Orbit (LEO) in etwa 400 km Höhe die Erde stets noch innerhalb des schützenden Erdmagnetfelds umrundet. "Die Astronautinnen und Astronauten auf der Station sind einer Strahlenbelastung ausgesetzt, die etwa 250-mal höher ist als die der Menschen auf der Erde – in Köln. In größerer Entfernung vom Erdmagnetfeld und im interplanetaren Raum könnte die Strahlenbelastung bei Erkundungsmissionen noch viel höher sein – schätzungsweise bis zu 700 Mal höher", so Berger.
Insbesondere die kosmische Strahlung sei eine "Herausforderung bei längeren Missionen im freien Weltraum, denn sie sorgt fortwährend für ein gewisses Level an energiereichen ionisierten Teilchen", erklärte Dr. Christine Hellweg, die Leiterin der Abteilung Strahlenbiologie am DLR, den Hintergrund der Forschungsbemühungen. Diese Strahlung habe eine besonders schädigende Wirkung auf den menschlichen Organismus. "Die Vielfalt der Teilchen in der kosmischen Strahlung reicht von Wasserstoff bis Eisen und weiter bis zum Uran", so Hellweg weiter.
Im Rahmen des Artemis-Programms will die NASA mittels ihrer neuen SLS-Raketen und einer Orion-Raumkapsel erstmals seit 1972 wieder Astronauten auf den Mond bringen. Bei der ersten dieser Missionen (Artemis 1), deren Start für Sommer 2022 geplant ist, soll die SLS-Rakete zunächst noch unbemannt den Mond umrunden und dann zur Erde zurückkehren. Mit Artemis 2 sollen ab 2024 auch wieder Astronauten den Mond zunächst nur umrunden.
Erst die Crew der dritten Mission soll dann auch tatsächlich wieder auf dem Erdtrabanten landen. Auf dem Mond will die NASA künftig Technologien für die in den 2030er Jahren vorgesehenen ersten Mars-Missionen testen.
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