Mit Allah-Bildern hat sie sich dies nicht getraut: Die Designerin Christine Metzler aus Offenbach bei Frankfurt kaufte online orthodoxe Ikonen (Heiligenbildnisse) und gestaltete sie mit aufgeklebten Bügelperlen zu pornografischen Darstellungen um. Neben den Heiligen räkeln sich nun vollbusige nackte Frauen oder schießen erigierte männliche Geschlechtsteile in die Höhe. Neben dem auf einem Ross reitenden Erzengel "reitet" ein Herr eine Dame in Hundestellung. Die Madonna hält statt des Jesuskindes etwas auf dem Schoß, das hier besser unerwähnt bleibt.
Diese von der Künstlerin so ausdrücklich bezeichnete "pornografische Serie" wird derzeit ausgerechnet in einem kommunalen Objekt, dem von der Offenbacher Wirtschaftsförderung betriebenen "Superladen" der Öffentlichkeit vorgestellt. In der hessischen Stadt und darüber hinaus regen sich nun Widerstand und Empörung gegen diese, ausdrücklich so beabsichtigte, Provokation. Besonders aufgebracht ist die griechisch-orthodoxe Gemeinde der Stadt. Aber auch in Russland und der Ukraine erregte die Meldung schon Aufsehen und wird als weiteres Zeichen europäischer Dekadenz und Werteverfalls aufgenommen. Einige sprechen gar von Christenverfolgung.
So schreibt die Ukrainerin Miroslava Berdnik:
"Eine deutsche Künstlerin hat die orthodoxen Gläubigen beleidigt, indem sie auf Ikonen pornografische Details dazu zeichnete. Die Verwaltung des deutschen Städtchens mischt sich nicht ein und erklärt die Aktion mit 'Kunstfreiheit'. Was gewesen wäre, wenn die 'Ikonenschreiberin' sowas Widerliches mit muslimischen Heiligtümern vollbracht hätte, bleibt im Dunklen."
Ikonen haben im orthodoxen Christentum eine besondere Bedeutung. Entgegen landläufiger Auffassung werden sie nicht selbst verehrt, was ein Verstoß gegen das Zweite Gebot wäre, auch wenn man diese Tendenz bei ungebildeten Gläubigen häufig beobachten kann. Sie sollen dem Gläubigen helfen, sich auf den Dialog mit Gott oder dem dargestellten Heiligen zu konzentrieren und öffnen über die visuelle Wahrnehmung das innere, geistige Auge. Orthodoxe Christen glauben aber auch, dass Gott selbst über die Ikonen im Gebetsraum anwesend ist. Stark ist der Glaube auch an Wunder, die über die Ikonen vollbracht werden, etwa Wunderheilungen oder Myrrhe weinende Ikonen.
Im 8. und 9. Jahrhundert tobte in Byzanz ein erbitterter Streit um die Zulässigkeit der "Ikonenanbetung". Dieser löste sich damit auf, dass die Bilderstürmerei als Häresie gebrandmarkt wurde. Die Beendigung des Bilderstreits durch ein Kaiserdekret im Jahr 843 wird als "Fest der Orthodoxie" gefeiert.
In einem Interview, das Christine Metzler dem Hessischen Rundfunk für dessen Sendung Maintower gab, erklärt sie ihre Intention so:
"Auslöser für diese Arbeit war der sexuelle Missbrauch an Kindern. Das findet sich nicht nur in der katholischen Kirche, der Missbrauch zieht sich durch alle Konfessionen. Bis heute warten weltweit zahlreiche Opfer auf Anerkennung und Entschädigung."
Warum der gerechte Zorn der sichtlich bewegten Künstlerin allerdings ausgerechnet die orthodoxen Ikonen traf und nicht etwa Bilder der katholischen Päpste aus Protest gegen den sexuellen Missbrauch um allerlei Sexualorgane ergänzt wurden, hinterfragte der Hessische Rundfunk leider nicht. Die orthodoxen Ostkirchen kennen kein Zölibat, die Geistlichen müssen verheiratet sein, um das Priesteramt in einer Gemeinde einzunehmen, so dass sie von dem Übel der Pädophilie unter den christlichen Kirchen am wenigsten betroffen sind.
In Deutschland ist die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen nach § 166 StGB strafbar. § 166 StGB wird jedoch mit Rücksicht auf die im Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit so ausgelegt, dass künstlerische Aktionen in der Regel straffrei bleiben. Russland führte im Jahr 2013 als Reaktion auf die gotteslästernde Aktion der "Pussy Riots" in einer Moskauer Kirche einen entsprechenden Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand ein.
Christine Metzlers Arbeit ist ohne Zweifel von der Kunstfreiheit des Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz geschützt. Auch diese Art der Provokation muss im Geltungsbereich des Grundgesetzes ertragen werden. Eine ganz andere Frage ist jedoch, ob man die Kunstfreiheit tatsächlich bis an die Grenzen des Anstandes und ohne jede Rücksicht auf die Gefühle und Verletzungen anderer ausschöpfen muss. Ebenso ist zu fragen, ob der Staat dieses durch Überlassung kommunaler oder staatlicher Objekte für vorhersehbar Unfrieden stiftende Ausstellungen auch noch fördern muss.
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