Supermans Erbe ist bisexuell – konservative Kritiker hochskeptisch

Der aktuell vor allem in der US-Popkultur verbreitete "Wokeness"-Trend hat nun auch DEN Superhelden schlechthin erfasst – oder vielmehr seinen Erben. DC Comics, die Besitzer des Superman-Franchise, haben Clark Kents Sohn Jon zum Coming-out verholfen.

"Es ist ens Flugzeugens! – Nein, ens ist ens Vogelns! – Nein, es ist Superwhatever!" So könnte auf Deutsch der legendäre Spruch derjenigen lauten, die Augenzeugen der Heldentaten Supermans werden – in einer woken, genderneutralen, dem neuen Image des Franchise angepassten Form. Denn angepasst wurde es: Dem neuen Protagonisten Jon Kent, Sohn und Nachfolger der altgedienten Superman-Figur Clark Kent, wurde von DC Comics zum Coming-out verholfen – er ist jetzt bisexuell. In der neuesten Ausgabe "Superman: Der Sohn Kal-Els" wird er bei einem Kuss mit der Figur des Reporters Jay Nakamura gezeigt.

Diese Plotentwicklung soll die Serie inklusiver machen, sodass mehr Menschen sich mit dem Superhelden identifizieren können, so Tom Taylor, der für das Superman-Skript verantwortliche Autor bei DC Comics:

"Das Symbol Superman stand schon immer für Hoffnung, Wahrheit und Gerechtigkeit. Doch heute repräsentiert dieses Symbol noch etwas mehr. Heute können mehr Menschen sich selbst im mächtigsten Comic-Superhelden sehen."

Seit der Entstehung der Serie im Jahr 1938 war Superman der US-amerikanische Superheld in Reinkultur: Unbezwingbar stark, weitgehend unverwundbar, männlich und dem Kampf für "Wahrheit, Gerechtigkeit und den American way" verschrieben… Nun ja, fast seit der Entstehung. Dass die ursprüngliche Figur des Superman, anders als es sich später etablierte, voller linken Klassenbewusstseins steckte und tatsächlich gegen gewisse Aspekte des reellen "American way of life" kämpfte, wie sie sich in sozialer Ungerechtigkeit und Spannungen niederschlugen (vornehmlich den Wildkapitalismus in all seinen Manifestierungen), ist heute kaum bekannt. Wer sich persönlich davon überzeugen möchte, kann in der Sonderausgabe Superman Archives nachschlagen.

Doch auch damals schon ging Superman auf eine brachiale Weise vor, für die ihm von weiten Teilen der heutigen so selbstbezeichneten politischen Linken die toxische Maskulinität attestiert worden wäre. Dasselbe gilt übrigens auch für Red Son, eine im Jahr 2003 veröffentlichte alternative Timeline des Superman-Universums, in der der Kryptonianer Kal-El nicht im US-Bundesstaat Kansas, sondern in der Sowjetukraine landet und vom echten Man of Steel (oder, vielmehr, von Josef Stalin wie man ihn bei DC Comics sieht) großgezogen wird.

Ob die Männlichkeit des bisexuellen Superman Junior ebenfalls toxische Züge aufweist, steht zur Diskussion. Doch dafür weist er mit seiner Bisexualität eine Präferenz auf, die von der erwähnten selbsternannten politisch überkorrekten neuen "Linken" als eine der inklusivsten gewertet werden dürfte. Und schon die Änderung des DC-Mottos im Juli 2021, das neuerdings unter Streichung des American way "Wahrheit, Gerechtigkeit und eine bessere Welt" lautet, darf man als Vorboten der Empörung, Skepsis und Häme verstehen, die sich unter den meisten Fans und Kritikern – unter US-Konservativen, aber auch darüber hinaus – ob dieser Neuerung im Universum des US-Superhelden überhaupt breitmachen. Denn die meisten von ihnen hatten mit dem alten Superman überhaupt keine Probleme und finden den neuen metrosexuell-inklusiven Unterstrang der Erzählung völlig aufgesetzt. Viele machten daher auch ihre Kritik online publik. Der britische Journalist Piers Morgan gab sich dem Sarkasmus hin: 

"Hervorragend! Doch zu wahrhafter Inklusion will ich noch eine pansexuelle Lois Lane sehen, und einen Lex Luthor, der sich als genderfluider Lesbier identifiziert."

Josh Jordan, ein weiterer Netzbürger – im Übrigen allem Anschein nach kein typischer US-Konservativer – beschwerte sich:

"Es gibt fast keine andere Welt mehr, in die man einfach flüchten könnte, wo die Politik nicht im Vordergrund und in der Mitte stünde." 

Der konservative TV-Moderator und Buchautor Ben Shapiro stichelte:

"Solange Superman kein behinderter Transmann ist, könnt ihr bei DC Comics euch eure Pinkwäscherei sparen!"

Der Politiker Josh Mandel gab sich ernsthaft alarmiert:

"Bisexuelle Comics für Kinder. Sie versuchen, Amerika wortwörtlich zu zerstören."

Natürlich blieb diese Plotentwicklung nicht ohne ihre Unterstützer. Katherine M. Gordon, die Gründerin der Inklusions- und Gleichberechtigungsbewegung der Drei Prozent (nicht zu verwechseln mit den ebenfalls US-amerikanischen rechtskonservativen Milizen, die unter gleichem Namen firmieren), freute sich über die Provokation:

"Oooh, davon werden all die Richtigen angepisst sein."

Ihr taten es Tom Fitzgerald und Lorenzo Marquez, Autoren der Queer- und Dragszene, gleich – sie freuten sich über das vom neuen Plot-Unterstrang im Supermann-Universum provozierte "schwule Chaos". 

Parker Molloy, ehemals Chefredakteurin beim "progressiven" US-Medienaufsichtsgremium Mediamatters.org, hielt Kritikern die Unterstellung entgegen, niemand von ihnen hätte jemals auch nur ein Comicheft in ihrem Leben gekauft.

Wie auch immer man den spezifischen Fall von Superman Junior finden mag: Das Konzept von DC Comics, mit einer politisch korrekten sexuellen Orientierung des Protagonisten würde man mehr Menschen mitnehmen können, scheint nicht tragfähig zu sein: Obwohl in den letzten Jahren unter Hollywood-Blockbustern Superheldenfilme im Kino wie bei Streamingdiensten dominieren, bleibt der Absatz von Comics weithin ein Lückenbüßer. Auch von Brancheninsidern wird die neue woke Strategie als Grund dafür ausgemacht. Der Künstler Ethan van Sciver beispielsweise, der ehemals für DC Comics tätig war, bescheinigt dieser Strategie  ihr Versagen – man könne die Verzweiflung förmlich schmecken, die sich momentan in der Industrie breitgemacht hat:

"Das Geschäft mit den Comics ist momentan voll die Katastrophe. Es scheint, als wolle niemand Geld mit Comics verdienen, die begehrenswert, sammelfähig, zum Kauf anregend wären. Die meisten Schaffenden nutzen das Medium des Comics, um Vorschläge für Filme und Serien für Netflix zu unterbreiten. Sie wollen die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen – mit Inklusionsinitiativen und Tugendsignalisierung."

Supermans Erbe Jon Kent ist nicht der einzige DC-Superheld, dessen LGBT-Identität jüngst bekanntgegeben wurde: Erst im August 2021 outete der Verlag Batmans Gehilfen Tim Drake als bisexuell.

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