Valérie Bacot hat vor fünf Jahren ihren Ehemann erschossen, nachdem sie eigenen Schilderungen zufolge Jahrzehnte hinweg von ihm misshandelt worden war. In einem kürzlich erschienenen Buch mit dem Titel "Tout le monde savait" ("Alle wussten es") berichtet sie von ihrem Martyrium. Der damalige Liebhaber ihrer Mutter soll sie bereits im Alter von zwölf Jahren vergewaltigt haben. Er wurde verurteilt und kam ins Gefängnis, kehrte dann aber wieder in die Familie zurück. Mit 17 Jahren wurde Valérie schwanger. Von der eigenen Mutter verstoßen, sah sie sich gezwungen, ihren 25 Jahre älteren Peiniger zu heiraten.
Wie die Frau vor Gericht erzählte, sei ihr Mann, der als Fernfahrer arbeitete, gewalttätig gewesen. Er habe sie mit einer Pistole bedroht und sie zur Prostitution gezwungen. Im Jahr 2016 habe sie es nicht mehr ausgehalten. Nach einem Streit nahm sie seine Waffe und schoss ihrem Mann von hinten in den Kopf. Ihr zufolge habe sie mit der Tat auch ihre heranwachsende Tochter schützen wollen, die ebenso zur Prostitution hätte gezwungen werden können.
Die Staatsanwaltschaft warf Bacot vorsätzlichen Mord vor, da sie die Leiche von Daniel P. im Wald vergraben hatte. Ihre beiden Söhne halfen ihr dabei. Die Angeklagte erklärte daraufhin, das Wichtigste für sie sei die Sicherheit ihrer Kinder. Hierfür könne sie auch in Haft gehen.
Warum der Täter so lange ungestraft blieb, erzählten die vier Kinder, die aus der Ehe hervorgingen. Ihren Angaben vor Gericht zufolge soll die Polizei wiederholt weggeschaut haben, als sie ihren Vater anzeigen wollten.
Bacots Anwälte argumentierten, dass die extreme Gewalt, die sie 25 Jahre lang erlitten hat, zusammen mit der Angst, dass ihre Tochter das nächste Opfer sein könnte, sie dazu getrieben habe, ihren Mann zu töten. "Diese Frauen, die Opfer von Gewalt sind, haben keinen Schutz", sagte die Anwältin Janine Bonaggiunta der Nachrichtenagentur AFP. "Die Justiz ist immer noch zu langsam, nicht reaktiv genug und zu nachsichtig gegenüber den Tätern, die weiterhin ihre gewalttätige Macht ausüben können."
Die Öffentlichkeit stand auf der Seite der 40-Jährigen. Die Gerichtskosten wurden von einem Unterstützungskomitee übernommen. In einer Online-Petition forderten mehr als 600.000 Nutzer einen Freispruch für die Angeklagte. Zahlreiche Frauen solidarisierten sich in den sozialen Medien unter dem Hashtag #Libertepourvalerie ("Freiheit für Valerie").
Die Französin wurde schließlich zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Davon wurden drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Da sie bereits ein Jahr in Untersuchungshaft verbrachte, muss die Mutter von vier Kindern nicht ins Gefängnis zurückkehren. "Dieser Prozess ist ein großer Schritt für mich, um vielleicht ein Kapitel zu beenden und eine schwierige Situation zu überstehen", sagte Bacot laut dem Nachrichtensender BFMTV. Die Angeklagte habe einen Schwächeanfall erlitten, als der Staatsanwalt sein Plädoyer vorgetragen habe, so der Sender.
Mehr zum Thema - Vater erstochen: Chatschaturjan-Schwestern nun offiziell als Opfer anerkannt