Mitarbeiter von Spionagefirma sagt als Zeuge aus: "Es wurde diskutiert, Assange zu vergiften"

Laut Zeugenaussagen im Londoner Prozess wurde überlegt, den Journalisten während seines Aufenthaltes in der Botschaft Ecuadors zu vergiften. Dies soll von US-amerikanischer Seite, genauer von Geheimdienstkreisen, angedacht worden sein. Auch ein spanisches Gericht ermittelt.

Im Prozess um den Journalisten und WikiLeaks-Gründer Julian Assange wurden am Mittwoch die Zeugenaussagen von zwei "Undercover Global"-Mitarbeitern verlesen. Es ist jene Sicherheitsfirma, die beauftragt war, Assange während seines erzwungenen Aufenthalts in der Botschaft Ecuadors auszuspionieren. Aus den Aussagen geht hervor, dass neben der audiovisuellen Ausspähung von Julian Assange auch eine gezielte Tötung durch Vergiftung überlegt wurde sowie die Möglichkeit, die Tür der Botschaft offen zu lassen, um so eine Entführung von Assange aus der ecuadorianischen Botschaft zu ermöglichen. 

Ich erinnere mich an eine Begebenheit im Hauptquartier von UC Global, ungefähr im Dezember 2017. David [Morales, Chef von UC Global] sagte, die Amerikaner wären am Verzweifeln und dass sie sogar noch extremere Maßnahmen empfehlen würden, die gegen den 'Gast' ergriffen werden sollten, um den dauerhaften Aufenthalt Assanges in der Botschaft zu beenden (…), beispielsweise der Vorschlag, dass die Tür zur Botschaft offengelassen werden sollte (…), um zu ermöglichen, dass Personen von außen in die Botschaft gelangen und den Asylberechtigten entführen könnten; sogar die Möglichkeit, Herrn Assange zu vergiften, wurde diskutiert. All diese Anregungen, so Morales, seien während der Verhandlungen mit seinen Kontakten in Amerika, in Erwägung gezogen worden", heißt es in der Zeugenaussage.

Zuvor sollen die Überwachungsmaßnahmen stetig auf Drängen von amerikanischer Seite verstärkt worden sein: Zu den zunächst herkömmlichen, installierten Kameras, die das Geschehen in der Botschaft aufzeichneten, kamen bald Kameras mit Funktion zur Tonaufnahme. Dann sollten die Angestellten von UC Global den amerikanischen Interessenten einen Live-Zugriff auf die Kameras ermöglichen.

Der Mitarbeiter beschreibt, wie Julian Assange mehrfach explizit nachgefragt habe, ob auch Tonaufnahmen durch die Kameras vorgenommen werden, was er verneinte:

Ich wurde mehrmals von Herrn Assange (…) gefragt, ob die neuen Kameras auch Ton aufnehmen würden, worauf ich antwortete, dass dies nicht geschehen würde. So wie mein Chef mich angewiesen hatte, es zu tun.

David Morales Guillén, der Chef von UC Global, soll den Mitarbeitern der Firma ausgerichtet haben, dass die amerikanischen Auftraggeber "sehr glücklich" mit den gelieferten Informationen seien, sie aber noch mehr benötigen würden. In diesem Zusammenhang soll Morales über die Möglichkeit gesprochen haben, in das Büro der Anwaltskanzlei ILOCAD einzudringen, da Baltasar Garzon, der Leiter der Kanzlei, die juristische Verteidigung von Assange koordinierte.

Nur zwei Wochen nach dem Gespräch sollen laut Medienberichten maskierte Männer in Garzons Büro eingedrungen sein. Die Aktion, die an die "White House Plumbers" im Watergate-Skandal erinnert, hat in der Firma zu Spekulationen geführt, ob dies mit den Aussagen von Morales in Verbindung zu bringen sei.

Alle Nachfragen bezüglich der Überwachung, Beschattung und dem Abfangen der Kommunikation von Baltasar Garzon sollen laut Morales von amerikanischer Seite aus erfolgt sein.

Laut Zeugenaussage sollen die Eskalationen in den Überwachungs- und Spionagemaßnahmen ab Mitte 2017 begonnen haben. Auch Sheldon Adelson, Multimilliardär und Unterstützer von US-Präsident Trump, soll seine Verbindungen zum Unternehmen weiter ausgebaut haben:

Ich erinnere mich daran, dass Sheldon Adelson selbst seine Verbindungen zu UC Global verstärkt hat. Denn zu jenem Zeitpunkt wurde David Morales persönlich damit beauftragt, für die Sicherheit des Magnaten und dessen Kindern bei einem Europabesuch zu sorgen", so der Zeuge.

Zur selben Zeit wäre bei Morales ein deutlicher Zuwachs an materiellen (Luxus-)Gütern festzustellen gewesen sein: Er soll sich ein neues Haus gekauft haben, dessen Wert auf ungefähr eine Million Euro geschätzt wird. In der Firma soll man sich erzählt haben, Morales würde pro Monat 200.000 Euro von amerikanischer Seite erhalten. Weiterhin wurde spekuliert, er würde das Geld in Gibraltar lagern, was von spanischer Seite als "Steuerparadies" gesehen wird. Ein Klient von UC Global soll David Morales als "geizig" bezeichnet haben, da er versucht hätte, in Gibraltar 70.000 Euro zu "waschen" und die dafür nötige Gebühr von zehn Prozent nicht zahlen wollte.

Als im Jahr 2018 die Kanzlei ILOCAD auf Basis des EU-Datenschutzgesetzes von UC Global verlangte, die Daten und das Material offenzulegen, welches mit Assange in Verbindung stand, soll Morales damit begonnen haben, sämtliches Material von der "Operation Hotel", wie die Spionageaktion genannt wurde, zu vernichten.

Die Anwälte Assanges reichten bereits Klage in Madrid gegen Morales ein. Er habe durch seine Aktionen die Privatsphäre des australischen Staatsbürgers und das Anwalts- und Kundenprivileg verletzt.

Das vorsitzende Gericht, das den Fall aufgenommen hat, hatte dem Justizministerium der Vereinigten Staaten eine Anfrage geschickt, um Zohar Lahav zu befragen, den Vize-Präsidenten des Personenschutzes bei Las Vegas Sands, ein Unternehmen von Sheldon Adelson.

Während der Spionage-Aktion soll Lahav unter dem Kommando von Brian Nagel gestanden haben, Direktor für "Globale Sicherheit" bei Las Vegas Sands und ehemaliger Direktor des US-Secret Service. Bei Las Vegas Sands schien er der ideale Mittelmann zwischen dem Unternehmen und dem nationalen Sicherheits- und Geheimdienstapparat gewesen zu sein und auch möglicher Leiter der komplexen Überwachungsvorhaben, mit denen Morales beauftragt wurde.

Durch die Befragung von Lahav will das Gericht nun scheinbar mehr über die Verbindung zu Nagel und dessen Rolle erfahren, als auch die vermutete Rolle der US-Geheimdienste als verantwortliche Instanz hinter der illegalen Spionageoperation überprüfen.

Auch der NDR stellte Strafanzeige, da Journalisten ausgespäht wurden, die zwecks Interview, Assange in der Botschaft aufgesucht hatten. Dies stelle einen Eingriff in das Redaktionsgeheimnis, das geschützte Verhältnis zwischen Journalisten und ihren Informanten, dar.

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