Nach Äußerungen von Richterin Vanessa Baraitser sieht es WikiLeaks-Chef Kristinn Hrafnsson als erwiesen an, dass die strafrechtliche Verfolgung des Journalisten und WikiLeaks-Gründers Julian Assange politisch motiviert ist.
Richterin Baraitser hatte am vergangenen Freitag vor dem Beginn der Zeugenanhörung die Anwälte des Angeklagten gefragt, ob die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA absehbare Auswirkungen auf die Verteidigung hätte, was von der Verteidigung bejaht wurde. Baraitser hätte laut eigener Aussage gehofft, das richterliche Urteil vor den US-Wahlen am 3. November fällen zu können oder zumindest die Schlussplädoyers im Voraus zu erhalten. Durch die der Verteidigung eingeräumten Frist von vier Wochen, um diese Plädoyers nach der Zeugenvernehmung einzureichen, sowie die der Regierung gewährleisteten Frist von weiteren zwei Wochen, um auf diese Plädoyers zu reagieren, wird ihr Urteil wohl erst im neuen Jahr und damit nach der Präsidentschaftswahl in den USA gefällt werden können.
WikiLeaks-Chef Hrafnsson sieht in den Äußerungen der Richterin den Vorwurf der politischen Natur des Falles um Julian Assange bestätigt:
Was meiner Meinung nach das Allerwichtigste war, war die Anerkennung der politischen Natur im Julian Assange-Fall durch die Richterin Vanessa Baraitser. Sie fragte die Verteidigung, ob die US-Präsidentschaftswahlen die Plädoyers in dem Fall beeinflussen würden. (...) Und indem sie das fragte, hat sie im Grunde die politische Natur des Falles anerkannt. Was wirklich außergewöhnlich, aber zugleich sehr gut ist, endlich von der Richterin zu hören. Also denke ich, dass die Fragen zu dem Thema geklärt sind. Wir haben es von der Richterin gehört!
Die Frage, ob der aktuelle Fall um Assange politisch motiviert sei, ist höchst brisant:
In dem Auslieferungsgesetz von 2003 zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten wird im vierten Artikel explizit die Auslieferung aufgrund politischer Delikte, Verstöße oder Vergehen untersagt. Des Weiteren obliegt es laut Auslieferungsgesetzestext einer "zuständigen Behörde" des zwecks Auslieferung angefragten Landes zu bestimmen, ob die Anfrage politisch motiviert war.
Laut dem UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, ist eine politische Dimension schon aus formellen Gründen nicht von der Hand zu weisen, was eine Auslieferung ausschließt:
17 von den 18 Anklagepunkten gegen Julian Assange beziehen sich auf Spionage. Spionage ist der Inbegriff eines politischen Vergehens, wie er im Buche steht, und es ist nicht erlaubt, [jemanden] aufgrund politischer Vergehen auszuliefern. Das Auslieferungsgesetz zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten verbietet dies", so Melzer in der englischsprachigen Zeitschrift Exberliner.
Der Espionage Act, das Spionagegesetz aus den USA, auf dessen Basis Assange angeklagt wurde, ist seit seiner Entstehung vor über 100 Jahren ein Instrument, das vor allem zur politisch motivierten Verfolgung eingesetzt wird, wie der Menschenrechtsexperte und US-Anwalt Carey Shenkman in einem Interview erläuterte.
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