Die demografische Entwicklung wird einige Länder besonders hart treffen. Für kleinere Nationen, insbesondere in Europa, wird es zu einer existenziellen Gefahr. Bildung und Emanzipation, die großen Errungenschaften der Moderne, sind auch gleichzeitig mitverantwortlich dafür, dass immer weniger Kinder geboren werden.
Die Hochrechnungen der Lancet-Studie ergaben, dass es im Jahr 2100 eine Weltbevölkerung von 8,79 Milliarden Menschen geben wird (UN gingen zuletzt von 10,88 Milliarden Menschen aus), davon werden 2,37 Milliarden Menschen älter als 65 Jahre sein, und 1,7 Milliarden Menschen jünger als 20 Jahre. Bereits in dreißig Jahren werden es 151 Länder nicht mehr schaffen, ihre sogenannte Nettoreproduktionsrate von mindestens 1,0 zu erreichen, um ihre Bevölkerung auf einem gleichbleibenden Niveau zu erhalten. Im Jahr 2100 werden es dann 183 von gegenwärtig 195 Staaten sein.
Alternativberechnungen gehen sogar davon aus, dass die Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2100 auf 6,29 Milliarden Menschen fallen wird, sollten die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDG – Sustainable Development Goals) umgesetzt werden. Das würde ungefähr dem Stand aus dem Jahr 2002 entsprechen. Diese Entwicklung nannte Elon Musk, Chef des Elektroautobauers Tesla und weiterer Technologieunternehmen, als "zweitgrößte Gefahr für die Zivilisation". Die größte Gefahr sieht er aber in der Künstlichen Intelligenz, zu deren Entwicklung er jedoch ironischerweise selbst beiträgt.
Ob es tatsächlich eine Gefahr für die Zivilisation darstellt, wie Musk meint, sei mal dahingestellt. Für einige Staaten trifft es aber durchaus zu. In der EU – sofern es die Europäische Union im Jahr 2100 überhaupt noch oder in dieser Größe geben wird – wird sich diese Entwicklung besonders bemerkbar machen, wenn die Volkswirtschaften aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahlen schwächer werden. Länder wie Andorra, Bulgarien, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Griechenland, Spanien, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei und Slowenien werden jeweils mindestens die Hälfte ihrer Bevölkerung verlieren, einige davon sogar über 60 Prozent!
Auch Deutschland wird von einem Rückgang nicht verschont bleiben. Trotz der gegenwärtigen Migrationspolitik, wird der ab 2036 einsetzende rückläufige Trend bis 2100 fortgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt werden in der Bundesrepublik etwa 66 Millionen Menschen leben. Wenn die SDG-Ziele umgesetzt werden, fällt die Zahl weiter auf 60 Millionen. Lediglich Belgien, Frankreich und Schweden könnten bis dato ihre Bevölkerungszahlen halten und sogar etwas verbessern, was hauptsächlich an der Familienpolitik dieser Länder liegt.
Wenn also bei rund der Hälfte der heutigen EU-Staaten die Bevölkerung bis zum Jahr 2100 um mehr als fünfzig Prozent schrumpft, wird das auch Auswirkungen auf die Wirtschaftsmacht der Union als Ganzes haben. Für Deutschland aber, das in der gegenwärtigen Aufstellung als Exportnation von den Absatzmärkten der Union abhängig ist, dürfte der Verlust von Kaufkraft in vielen Ländern drastische Folgen haben.
Außerhalb Europas wird es auch die derzeit bevölkerungsreichsten Staaten der Welt, China und Indien, treffen. Während in Indien mit einem Rückgang der Bevölkerung bis zum Jahr 2100 auf 1,09 Milliarden gerechnet wird, verliert auch China rund die Hälfte seiner Bevölkerung bis dahin. Trotzdem wird die Volksrepublik auf Platz drei rangieren, hinter Nigeria (791 Millionen) und Indien. Die Vereinigten Staaten von Amerika werden – allen Unkenrufen zum Trotz – auch in diesem Jahrhundert weiterhin eine dominante Macht bleiben und bis circa 2098 sogar wieder zur größten Wirtschaftsmacht aufsteigen.
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