Serbien rief am Sonntag wegen der Corona-Epidemie den nationalen Notstand aus. Als Serbiens Präsident Alexander Vučić dies am Sonntag bei einem Presseaufftritt verkündete, fand er ungewöhnlich scharfe Worte gegenüber der EU.
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Die Krise habe bewiesen, dass die europäische Solidarität nur "auf dem Papier" existiere, sagte Vučić und kritisierte das angebliche Exportverbot für medizinische Geräte und Lieferungen, das von EU-Mitgliedern als Reaktion auf den Ausbruch verhängt wurde.
Ich will jetzt keine politischen Schlussfolgerungen ziehen, ich werde es tun, wenn es vorbei ist. Wir haben aber erkannt, dass es keine große internationale oder europäische Solidarität gibt. Das alles waren Märchen auf dem Papier", sagte Vučić während einer Pressekonferenz, die live von RTS TV übertragen wurde.
"Nur China kann uns in dieser Situation helfen", fügte der serbische Staatschef hinzu und sagte, er habe kürzlich einen Brief an Chinas Staatschef Xi Jinping geschrieben, "in dem er ihn um Hilfe bat und ihn als Bruder bezeichnete".
"Serbien erhielt von China fünf Millionen Masken, die es innerhalb Europas nicht bekommen konnte, und das Angebot, Ärzte zur Bekämpfung der Krankheit zu schicken", sagte der Präsident. Das Land müsse Atemschutzmasken auf einem "halbgrauen Markt" einkaufen.
Seit Montag hat Serbien alle Bildungsinstitutionen geschlossen, das Militär zur Bewachung sensibler Einrichtungen wie Krankenhäuser mobilisiert, ältere Menschen in häusliche Quarantäne geschickt und den öffentlichen Nahverkehr eingeschränkt. Offiziellen Angaben zufolge wurden bis Sonntag 57 mit dem Virus infizierte Personen gezählt, von denen 29 in Krankenhäusern behandelt wurden. Die Grenzen werden für alle bis auf die serbischen Staatsbürger geschlossen.
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Ich appelliere an alle Ausländer: Kommt nicht nach Serbien, mit Ausnahme der Chinesen, die dazu aufgerufen werden, zu kommen, ihrer Ärzte, der Menschen, die uns helfen", sagte Vučić.
Die Bundestagabgeordnete der Linskpartei, Żaklin Nastic, schloss sich der Kritik an, die EU habe sich in den Beziehungen zum Beitrittskandidaten Serbien "profitgierig" gezeigt:
Albaniens Premierminister: Westbalkan ist vernachlässigt
Am 16. März kommentierte der albanische Premierminister Edi Rama das EU-Exportverbot von medizinischen Geräten und Medikamenten. Das berichtete die albanische Nachrichtenagentur Telegrafi.
Rama sagte, die Europäische Union verwehre damit westlichen Balkanländern den Zugang zum Markt für medizinische Geräte. Er fügte hinzu, er beabsichtige, die Situation mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, telefonisch zu besprechen. Sollte das Gespräch nicht erfolgreich verlaufen, wird Albanien sich mit anderen Ländern der Region zusammenschließen, um gemeinsam die Öffnung des Marktes für medizinische Ausrüstung der Europäischen Union für die Länder des Westbalkans (Serbien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Kosovo und Albanien) anzustreben.
Albanien hat im Unterschied zu Serbien, das seit 2012 offizieller EU-Beitrittskandidat ist, noch keine Beitrittsverhandlungen mit der EU aufgenommen. Einzelne EU-Staaten haben im Jahr 2019 die Kandidatur Albaniens aufgrund der Nichterfüllung der EU-Auflagen abgelehnt. Das Land strebt seit 2003 die EU-Mitgliedschaft an.
EU: Es gibt kein Exportverbot
Am Montag hat EU-Kommissionssprecher Eric Mamer Stellung zu den Vorwürfen genommen, wie die serbische Nachrichtenagentur Beta berichtet.
"In der Europäischen Union gibt es kein Exportverbot für medizinische Geräte, Masken und Beatmungsgeräte, sondern ein Genehmigungsverfahren für den Verkauf dieser Ausrüstung an Staaten außerhalb der Union, das in Zusammenhang mit der Corona-Epidemie eingeführt wurde", so Mamer.
Es können Anträge gestellt werden, damit diese Mittel an die Balkanländer geliefert werden", heißt es in der Mitteilung.
Merkel: Bessere Koordination gewünscht
Auch innerhalb der EU gibt es Kritik – diesmal für die mangelnde Kooperation zwischen den Unionsstaaten. Bundespräsident Frank Walter-Steinmeier warnte vor dem "Auseinanderfallen" der EU infolge der Corona-Krise. "Wir haben es in der Hand, ob Solidarität nach innen und außen die Oberhand gewinnt – oder aber der Egoismus des Jeder-für-sich", sagte er in einem Interview.
Darauf auf ihrer Pressekonferenz angesprochen, gab auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel Probleme in der inneren "Koordination" der EU zu:
Es hat sich gezeigt, dass die Koordination nicht überall so funktioniert, wie man sich das gewünscht hätte.
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