Am Dienstag hat der Generalstab der russischen Streitkräfte in Moskau ein Briefing für ausländische Militärattachés durchgeführt. Der Behördenchef General Waleri Gerassimow betonte dabei, dass man in den westlichen Ländern regelmäßig auf die Formulierung "russische Militärbedrohung" zurückgreife, wenn es um eine planmäßige und transparente Modernisierung der russischen Armee gehe.
Dabei gelte Moskau in der Militärdoktrin der NATO nach wie vor als Gegner. Ihm zufolge steigere das militärpolitische Bündnis mit seinen Handlungen nur die Spannungen zwischen Russland und dem Westen. Waleri Gerassimow beschreibt die Situation wie folgt:
In den baltischen Staaten und in Polen, im Schwarzen Meer und in der Ostsee nehmen die Militäraktivitäten und die Intensität der Militärübungen des Bündnisses zu. Ihre Szenarien weisen darauf hin, dass sich die NATO zielbewusst darauf vorbereitet, ihre Truppen an einem großen Militärkonflikt einzusetzen.
Der Leiter des russischen Generalstabs machte die ausländischen Militärattachés auf den Beschluss des NATO-Gipfels Anfang Dezember aufmerksam, einen Teil der Truppen an die Ostflanke des Bündnisses zu verlegen – näher an die Grenze zu Russland.
Demnach hatten die NATO-Länder seit dem Jahr 2016 ihre Verteidigungsausgaben insgesamt um 130 Milliarden US-Dollar aufgestockt. Bis zum Jahr 2024 sollten es um 400 Milliarden US-Dollar mehr sein. Im Jahr 2018 hatte die Allianz die Formel "vier mal dreißig" entwickelt, wonach das Militärbündnis innerhalb von 30 Tagen 30 Heeresbataillone, 30 Kampfschiffe und 30 Flugzeuge verlegen können soll. Gerassimow wörtlich:
Die Handlugen der Allianz steigern die Spannungen und senken das Niveau der Sicherheit auf der Kontaktlinie Russland-NATO. Das Risiko gefährlicher Vorfälle im Militärbereich zu verringern, soll die wichtigste Richtung im Dialog zwischen Russland einerseits und den USA und der NATO andererseits bleiben.
Auf die Frage des norwegischen Militärattachés, ob ein großer Krieg bis zum Jahr 2050 möglich sei, antwortete der russische General, dass es zwar bislang keine Voraussetzungen für einen solchen Militärkonflikt gebe. Trotzdem könnten neue Krisen außer Kontrolle geraten und zu einem großen Krieg auswachsen. Daher solle Russland auf jede Entwicklung gefasst sein und jede beliebige Aggression abwehren können. Die instabile Situation in der Welt sei weitgehend dadurch bedingt, dass einzelne Länder bestrebt seien, anderen souveränen Staaten ihre eigenen Grundsätze aufzuzwingen – darunter auch mit Gewalt.
Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, kommentierte am Mittwoch diese Einschätzung, indem er sie als fachkundig bezeichnete. Sie fuße auf der Analyse, die das russische Militär beim Beobachten der NATO-Manöver mache. Der Kremlsprecher betonte:
Dass die andauernde Expansion der NATO-Militärinfrastruktur in Richtung unserer Grenze Besorgnis erregt, ist kein Geheimnis und ist gut bekannt.
Wladimir Bruter, Experte des Internationalen Instituts für humanitär-politische Studien, erklärte gegenüber RT, dass den Handlungen der NATO und den USA der Wunsch zugrunde liege, Russland als "direkte Gefahr" einzudämmen. Zu diesem Zweck versuche die Allianz, das Land mit allerlei Militärinfrastruktur zu umzingeln.
Konstantin Blochin, Experte des Forschungszentrums für Probleme der Sicherheit bei der Russischen Akademie der Wissenschaften, zeigte sich im Gespräch mit RT sicher, dass die Aufrechterhaltung der "russischen Bedrohung" es den USA erlaube, andere Länder mit verschiedenen und manchmal im Widerspruch stehenden Mentalitäten, Kulturen und Interessen im Bündnis festzuhalten.
Dabei muss man darauf hinweisen, dass Russland trotz der feindseligen Rhetorik einiger westlicher Länder seine Militärausgaben allmählich kürzt. Laut Statistiken des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) ist Russland in der Jahresbilanz 2018 erstmals seit dem Jahr 2006 im weltweiten Ranking bei den Verteidigungsausgaben nicht unter den ersten fünf Ländern gelandet. Nach Angaben des russischen Präsidenten Wladimir Putin werde das Land auch in Zukunft seinen Militäretat kürzen: Im Jahr 2017 hätten sich die Militärausgaben auf 3,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes belaufen, im Jahr 2018 seien es etwas mehr als drei Prozent gewesen, im Jahr 2019 seien es 2,9 Prozent.
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