Am 1. Oktober 2017 stimmten die Katalanen in einem von der Unabhängigkeitsbewegung organisierten Referendum über ihre Loslösung von Spanien ab. Für die spanische Zentralregierung war dies ein illegales Unterfangen. Die spanische Polizei versuchte die Abstimmung schließlich mit Gewalt zu verhindern. Nach einer symbolischen Unabhängigkeitserklärung durch den Präsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont, und deren Annahme durch das katalanische Parlament, hob die spanische Regierung die Autonomie Kataloniens auf, was die Absetzung der Regierung und die Auflösung des Parlaments der Region bedeutete, und rief Neuwahlen aus.
Unabhängigkeitsaktivisten wurden verhaftet. Puigdemont ging nach Belgien ins "Exil". In der Folge erließ eine Untersuchungsrichterin in Spanien einen Europäischen Haftbefehl gegen ihn. Dieser wurde von der spanischen Justiz zurückgezogen, nachdem das OLG Schleswig-Holstein der Auslieferung Puigdemonts nach Spanien zwar stattgab, allerdings mit der Auflage, dass er dort nur wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder – und nicht wie von Spanien beantragt wegen Aufruhrs oder Rebellion – angeklagt werden könne. Zuvor war Puigdemont bei einem reisebedingten Aufenthalt in Deutschland aufgrund des Europäischen Haftbefehls von den zuständigen Behörden festgesetzt worden. Nach der Verurteilung zahlreicher Führer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung durch den Spanischen Obersten Gerichtshof im Oktober erließ dieser erneut einen Europäischen Haftbefehl gegen den Ex-Präsidenten der autonomen Region Katalonien.
Am Montag sollte in Belgien über den aktuellen Europäischen Haftbefehl gegen ihn und gegen die zwei ehemaligen Regierungsmitglieder Toni Comín und Louis Puíg entscheiden werden. Auch diese beiden halten sich in Belgien auf.
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Puigdemont hofft auf politische Immunität und auf den Einzug ins EU-Parlament. Mit seiner Kandidatur als EU-Abgeordneter hatte er Erfolg. Das Antreten des Mandates aber hätte seine Verhaftung in Spanien zur Folge gehabt, da Spanien dies an Formalitäten im eigenen Land geknüpft hatte. Ähnlich erging es dem ehemaligen Vizeregierungschef Kataloniens Oriol Junqueras. Das Mandat konnte dieser ebenfalls nicht annehmen. Junqueras saß in Untersuchungshaft. An diesem Donnerstag wird in seinem Fall der Europäische Gerichtshof urteilen. Dessen Entscheidung über den Status von Junqueras als EU-Abgeordneten hat unmittelbare Auswirkungen auf den entsprechenden Status von Puigdemont.
Daher verschob das belgische Gericht die für heute angesetzte Verhandlung über den Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont auf den 3. Februar 2020, um die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zu dessen Status als gewähltem EU-Parlamentarier abzuwarten. Sollte der Europäische Gerichtshof das Abgeordnetenmandat bestätigen, so kann die daraus folgende parlamentarische Immunität nur vom EU-Parlament selbst aufgehoben werden. Erst dann wäre ein neuerlicher Haftbefehl gegen Puigdemont möglich.
Gegenüber RT betonte Puigdemont seine Ansicht für das Recht auf Unabhängigkeit Kataloniens:
Es gibt kein göttliches Gesetz, das dem einen Staat ein Recht auf Unabhängigkeit zugesteht, dem anderen nicht. Man muss die Idee der Einheit der Staaten entdramatisieren, ihr diesen sakralen Charakter nehmen.
Mit seiner Entscheidung vom Oktober verurteilte der Oberste Spanische Gerichtshof neun Führer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, unter anderem auch ehemalige Mitglieder der Regionalregierung wie Junqueras, wegen Aufruhrs zu Haftstrafen zwischen neun und 13 Jahren. Daraufhin folgten tagelange massive Proteste in zahlreichen Städten Kataloniens. In der katalanischen Hauptstadt Barcelona kam es dabei wiederholt zu gewalttätigen Ausschreitungen.
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