Österreich: Journalist gibt sich als Polizist aus, um Familie eines Mordopfers zu täuschen

Die österreichische Zeitung "Heute" berichtet nicht nur über Nachrichten, sondern generiert auch welche: So gab sich ein Redakteur als Ermittler aus, um vom Bruder eines Tatverdächtigen Informationen und Fotos zu erhalten. Der Presserat sieht einen groben Verstoß.

Eine Angestellte des österreichischen Justizministeriums wandte sich im Jahr 2018 an den Presserat. Ihr zufolge sei es im Zuge der Recherchen zu zwei Artikeln der Heute-Zeitung zu einer unlauteren Materialbeschaffung gekommen. Darin wurde berichtet, dass ein 28-Jähriger, der zuvor bereits acht Wochen in psychiatrischer Behandlung gewesen sei, seine Mutter erwürgt haben soll. Konkret geht es um zwei Artikel, die im Februar 2018 in der Printversion und auf der Homepage der Heute-Zeitung erschienen sind. 

Der österreichische Presserat beschäftigte sich mit diesem Fall und stufte die Handlungen des Journalisten als schwerwiegenden Ethikverstoß gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse ein. Der Journalist soll sich als leitender Ermittler ausgegeben haben, um an Informationen und private Fotos zu gelangen. Der Bruder des Tatverdächtigen hat dem Journalisten private Fotos zur Verfügung gestellt, weil er dachte, es handle sich um einen Kriminalbeamten. Der betreffende Redakteur wurde mittlerweile wegen Amtsanmaßung rechtskräftig verurteilt.

Der Senat des Presserates stufte das Verhalten des Redakteurs als Irreführung ein, die zu den unlauteren Methoden zählt. Die falsche Identität als "neuer leitender Ermittler der Polizei" wurde vom Redakteur bewusst vorgetäuscht, um dadurch Informationen und Bildmaterial vom Bruder des Tatverdächtigen zu erhalten. Nach Auffassung des Senats war im konkreten Fall die verdeckte Recherche in keiner Weise gerechtfertigt. Die Informationen und die Fotos seien dem Bruder des Tatverdächtigen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen entlockt worden.

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