Für die Umsetzung der deutschen Politik auf dem Balkan spielt Kroatien offensichtlich eine zunehmend größere Rolle. Nach dem zweifachen Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in diesem Jahr besuchte am Sonntag auch Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer das kleine Balkanland. Interessanterweise fand das Treffen mit dem kroatischen Amtskollegen Damir Krstičević nicht in der Hauptstadt Zagreb statt, sondern unter der Sonne Dalmatiens in Split.
Hier soll nach dem Willen der beiden Regierungsvertreter am 8. und 9. Mai 2020 eine internationale Konferenz von EU-Verteidigungsministern und ranghohen NATO-Vertretern stattfinden, bei der es um die weitere und tiefere Verflechtung zwischen der EU und der NATO geht. Das ist ein direkter Angriff auf die Pläne Frankreichs, eine von der NATO unabhängigere EU schaffen zu wollen. Aber auch was die EU-Erweiterung auf dem Westbalkan betrifft, erhofft sich Berlin von Zagreb, dass Kroatien den von Paris blockierten Erweiterungsprozess zur Priorität seiner sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft erklärt. Um das sicherzustellen, wird das Auswärtige Amt einen "Austauschbeamten der Bundesregierung" nach Zagreb entsenden. "Ein kleiner, aber effektiver Schritt, um besser voneinander zu lernen und die Ratspräsidentschaften noch enger zu verzahnen", heißt es dazu aus Berlin.
Bei der Pressekonferenz in Split sagte Kramp-Karrenbauer:
Deutschland und Kroatien verbindet eine enge Zusammenarbeit, gerade beim Thema Sicherheit- und Verteidigungspolitik.
Dabei hob sie insbesondere die von Krstičević bereits genannten Beteiligungen an gemeinsamen Einsätzen in Afghanistan und Kosovo hervor. Aber auch die Entsendung der kroatischen Eliteeinheit "Pauci" (Spinnen) nach Litauen, die ab dem 1. Januar 2020 unter deutschem Kommando im Kampfverbund von "Enhanced Forward Presence" der NATO unweit der russischen Grenze stehen wird. Der Austausch zwischen Bundeswehrsoldaten und der kroatischen Armee sei "auf Augenhöhe, und wir lernen voneinander."
Die deutsche Ministerin betonte dabei, dass "Kroatien für seine Freiheit einen hohen Preis bezahlt hat", und dass es deshalb einen "besonderen Blick" auf Stabilität und Sicherheit der Region habe. "Das verbindet uns in den politischen Betrachtungen" der "aus unserer Sicht falschen Entscheidung" bezüglich der französischen Blockade zur Aufnahme Nordmazedoniens und Albaniens in die EU. Ob bei den Gesprächen zwischen den beiden Verteidigungsministern auch die Migrantenkrise an der "EU-Außengrenze" ein Thema war, die Kroatien "verteidigen" soll, ist nicht bekannt.
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