Gegen den russischen Einfluss: Die USA, Rumänien und das Schwarze Meer (Teil 1)

Zwei Weltkriege und der sogenannte Kalte Krieg haben für die Region des Schwarzen Meeres nicht so einschneidende Veränderungen gebracht, wie es in der kurzen Zeit nach der Niederlage des Sozialismus in Europa geschehen ist: eine Analyse von Anton Latzo.

Prof. Dr. Anton Latzo

(Teil 1 von 2)

Ein legendärer und biblischer Raum, die Region des Schwarzen Meeres, wurde durch das Eindringen der USA und der NATO, durch die Erweiterung der EU und durch die so verursachte politische und gesellschaftliche Instabilität in Rumänien und Bulgarien, in der Ukraine und in Georgien, durch die Entwicklung in der Türkei und in ihrer Außenpolitik sowie durch die internationale Prinzipien verletzende Nutzung der Gewässer des Schwarzen Meeres zu einer Zone der politischen und militärisch-strategischen Instabilität, in der die politischen Spannungen und die Militarisierung besorgniserregende Ausmaße erreichen.

Sie ist zu einer Zone gefährlicher Spannungen und Konfrontationen an der Grenze zwischen NATO und Russland mit kriegsgefährlichen Wirkungen auf den Balkan, in den Mittleren Osten, den Kaukasus und bis Zentralasien geworden. Wer daran Interesse hätte, könnte die Lage kurzfristig für den Beginn kriegerischer Handlungen missbrauchen. In diesem Zusammenhang sind Rumänien und die Region des Schwarzen Meeres – wie Polen und das Baltikum – inzwischen zu einem brisanten, im geopolitischen Ringen wichtigen strategischen Raum geworden, zum südöstlichen Pfeiler des antirussischen europäischen Bogens der USA und der NATO.

Die Beziehungen der USA zu Rumänien wurden nach dem Zweiten Weltkrieg immer dann aktiviert, wenn in Rumänien bzw. in der Region Anzeichen für eine Entwicklung zu erkennen waren, von der man glaubte, sie kann für die Verwirklichung der Interessen der USA beim Eindringen in europäische Regionen und im Streben nach weltweiter Hegemonie genutzt werden.

Historische Linien

Bereits in den Jahren 1946 und 1947 wurde deutlich, dass die Gemeinsamkeiten zwischen den USA und der Sowjetunion ihre positive Wirksamkeit auf die Gestaltung der internationalen Beziehungen verloren hatten. Die Stuttgarter Rede von US-Außenminister Byrnes am 06. September 1946 dokumentierte die Abkehr der USA von der Politik vom verstorbenen US-Präsidenten Roosevelt. Der neue Präsident Truman verkündete am 12.03.1947 vor dem US-amerikanischen Kongress die sogenannte Truman-Doktrin, in der er die damaligen volksdemokratischen Entwicklungen in Ost- und Südosteuropa, die Auseinandersetzungen in Griechenland und der Türkei als "direkte und indirekte Aggression" durch "totalitäre Regime" bezeichnete. Seither gilt für die USA, den "freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen".

Zusammen mit der Verkündung der Truman-Doktrin begannen die USA, die kapitalistischen Mächte mit Marshallplan und NATO-Gründung in einem Block zu organisieren. Die Truman-Doktrin stand am Anfang der Eindämmungspolitik (containment policy). Der Marshallplan wurde als Instrument eingesetzt, um der Verwirklichung politischer und militärischer Ziele mit ökonomischen Mitteln Nachdruck zu verleihen.                    

                                                      

Jedenfalls wurden die nur kurze Zeit vorher von Präsident Roosevelt beschworenen Gemeinsamkeiten zwischen den USA und der Sowjetunion über Bord geworfen und offen antisowjetische und antikommunistische Grundsätze zur Grundlage der Außenpolitik der USA gemacht. Es wurde die Axt an die Wurzel der Einheit Europas auf der Grundlage der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges gelegt. Der US-amerikanische Journalist Walter Lippmann prägte schon 1947 dafür den Begriff "Kalter Krieg".

Gegenüber Rumänien äußerte sich diese Ausrichtung der USA-Politik in einer offenen Gegnerschaft zu den tiefgreifenden Umgestaltungen der rumänischen Gesellschaft nach der Befreiung durch die Rote Armee am 23. August 1944.

Die westlichen Alliierten unter Führung der USA beließen es nicht nur bei Protesten gegen die am 6. März 1945 etablierte Regierung Petru Groza, Vorsitzender der Bauernfront, und gegen den Sieg des "Blocks Demokratischer Parteien" bei den Parlamentswahlen vom 19. November 1947, die in Einklang mit der Erklärung im Februar 1945 der Krimkonferenz der Alliierten über das befreite Europa durchgeführt wurden.                                                                                                      

Aktiv unterstützten sie diejenigen Kräfte, die die Wiederherstellung der Vorkriegsverhältnisse in Rumänien anstrebten, Verhältnisse, die den aktiven militärischen Einsatz des Landes im Krieg gegen die Sowjetunion ermöglichten. Dazu gehörte nicht nur die Organisierung bewaffneten Widerstands in Rumänien, sondern auch die Unterstützung des am 31. Dezember 1947 gestürzten und in die Schweiz ausgereisten Königs Mihai I. Dieser versuchte unter anderem im Frühjahr 1948 in den USA, eine rumänische Exilregierung unter dem früheren Außenminister Grigore Gafencu zu bilden. Außerdem wurde ein mit prominenten Exilanten besetztes Rumänisches Nationales Komitee geschaffen. In den USA lebten damals ungefähr 140.000 rumänische Bürger mit eigenen Organisationen und Presseerzeugnissen. Der Spiegel schrieb am 10. April 1948: "Ex-König Michael von Rumänien ist Hahn im Korbe der amerikanischen Gesellschaft geworden. (...) Gregor Gafencu, Ex-Außenminister Rumäniens und von der volksdemokratischen Regierung Bukarests zum Tode verurteilt, organisiert diese Fühlungnahmen. Das State Departement, auf dessen Einladung Michael in den Vereinigten Staaten weilt, schaut wohlwollend zu. Es hofft auf baldige Früchte der Besuchsreise des Ex-Königs: die Konstituierung einer rumänische Exilregierung."

Diese Politik der USA widersprach den Festlegungen des Friedensvertrages mit Rumänien vom Februar 1947, der die völkerrechtliche Bestätigung der neuen, demokratischen Verhältnisse enthielt. Sie wurde aber als Kampf für Demokratie ausgegeben.

Beziehungen auf höchster Ebene 

Eine zweite Etappe wurde in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre eingeleitet. Ende der 1960er-Jahre erwies sich die "Politik der Befreiung" und des "Rollback" (Ungarn und Polen 1956, Tschechien 1968), die besonders vom US-amerikanischen Außenminister John Foster Dulles in Osteuropa verfolgt wurde, als gescheitert. Die sowjetischen Truppen wurden im Jahr 1958 aus Rumänien abgezogen.   

Die USA nutzten die Lage, um neue Anknüpfungspunkte für ihre Politik gegenüber Rumänien zu finden. Dazu gehörte die im April 1964 verabschiedete Deklaration der rumänischen KP, in der die rumänische Führung ihre Politik umfassend darlegte und begründete. Im Westen wurde sie als "Unabhängigkeitserklärung" eingestuft. Im Jahr 1967 wurde vor dem rumänischen Parlament die Leitlinie verkündet, dass die Welt durch "die immer intensivere Beteiligung der kleinen und mittleren Länder an der Lösung der Fragen des internationalen Lebens" (Nicolae Ceaușescu)  gekennzeichnet sei. Dem ging im Juni ein Besuch des rumänischen Ministerpräsidenten in den USA, bei dem dieser US-Präsident Johnson traf, voraus. Im Februar 1967 wurde, ohne Konsultation mit den Warschauer Vertragsstaaten, die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Rumänien und der BRD vereinbart, ohne dass die BRD zum Beispiel die Endgültigkeit der Grenze an Oder und Neiße anerkannte, wie es die Warschauer Vertragsstaaten als Voraussetzung für Frieden und Sicherheit in Europa forderten.                                                                                                 

Rumäniens Kurs auf dieser Grundlage führte dazu, dass der spätere 37. Präsident der USA, Richard Nixon, Anfang August 1969 Bukarest besuchte. Es war der erste Besuch eines US-Präsidenten in einem sozialistischen Land in Europa seit 1945, abgesehen von der Sowjetunion. Er leitete die Aufbauphase für die künftigen Beziehungen zwischen beiden Ländern ein. Rumänien sollte bestärkt werden, seine "Unabhängigkeits"-Politik fortzusetzen und das Verhältnis zur Sowjetunion sowie den Zusammenhalt im RGW und in der Warschauer Vertragsorganisation zu schwächen. Es ging den USA darum, die Bedingungen für ihre antikommunistische und antisowjetische Politik in ihrem Sinne zu gestalten.                               

Die Globalstrategie wurde verkündet. Die USA und ihre Verbündeten stellten sich auf eine Politik ein, wonach "das, was heute noch nicht sein kann, vielleicht morgen oder übermorgen möglich sein wird", wie der dritte bundesdeutsche Bundeskanzler Kurt Kiesinger die "neue" Ostpolitik charakterisierte.

Es folgte eine Phase des Ausbaus der bilateralen Beziehungen mit den USA, die unter anderem bis Ende der 1970er-Jahre zu drei Besuchen Ceaușescus in den USA und zwei Besuchen der Nachfolger von Nixon in Rumänien führten (1975 Gerald Ford und 1978 Jimmy Carter). Damit wurde eine Intensität und Dynamik in den bilateralen Beziehungen erreicht, wie sie die USA mit keinem anderen Land hatten. Nach einer ruhigeren Phase wurden die Bemühungen unter neuen Bedingungen 1993 wieder aufgenommen. Davon zeugt, dass von 1967 bis heute alle Präsidenten der USA (außer Reagan und Bush senior) während ihrer Amtszeit meistens mehrere Begegnungen mit dem jeweiligen rumänischen Staatsoberhaupt hatten. George W. Bush hatte sogar fünf derartige Treffen. Seit 1993 – in 16 Jahren – fanden 16 gegenseitige Besuche auf dieser Ebene statt! Hinzu kommen die Aktivitäten der Vizepräsidenten der USA – besonders von Vizepräsident Joe Biden -, der Senatoren und Minister, der Botschaften sowie von anderen hohen US-Würdenträgern.

Aktivitäten von Stiftungen und NGOs

Die amerikanisch-rumänischen Stiftungen und NGOs nehmen einen wichtigen Platz im gesellschaftlichen und politischen Leben Rumäniens und in seiner Außenpolitik ein. Ihre Anzahl ist kaum vollständig zu erfassen.

Ein wahres Imperium hat George Soros nach 1989 geschaffen. Einige seiner Aktivitäten sollen deshalb beispielhaft kurz skizziert werden.

Nach Angaben des konservativen US-amerikanischen Thinktanks Capital Research Center (CRC) ist George Soros kurz nach der Übernahme der Macht durch den späteren Präsidenten Ion Iliescu nach Bukarest geflogen. Er traf sich sofort mit den Gründern der sogenannten rumänischen "Gruppe für gesellschaftlichen Dialog", zu denen der prominente Berater von Ion Iliescu, Silviu Brucan, gehörte. Laut Aussagen ihres damaligen Vorsitzenden, Robert Turcescu, habe Soros der Gruppe sofort eine Million Dollar zur Verfügung gestellt, um einen günstigen Rahmen für die Gründung von NGOs in Rumänien zu schaffen.                 

Ein halbes Jahr später hat er eine eigene Soros-Stiftung in Rumänien gegründet, die mit einem Haushalt von 1,5 Millionen Dollar startete. Anfangs hat sie über das entsprechende Ministerium neue Schulbücher herausgebracht. Vier Jahre später erreichte der Haushalt die Summe von zehn Millionen Dollar jährlich, und ihre Tätigkeiten haben sich entsprechend erweitert.

Im Jahr 1997 wurde daraus die "Stiftung für eine Offene Gesellschaft" gegründet, die über einen 12-Millionen-Haushalt verfügte. Ein großer Teil wurde für die Entsendung vor allem junger Menschen zum Studium im Ausland oder an der "Zentraleuropäischen Universität" von Soros in Budapest eingesetzt. Die Studenten mussten sich verpflichten, nach dem Studium nach Rumänien zurückzukehren und sich aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben in Rumänien zu beteiligen.

Die Summen wurden immer höher. Anfang 2000 hatte die Stiftung für gesellschaftlichen Dialog einen Haushalt von 16 Millionen Dollar. Angesichts ihrer Größe wurde sie aufgelöst, um aus ihr heraus zwölf selbständige Gruppen unter dem Schirm der Soros Open Network – Romania (SON) zu bilden. Offensichtlich wurde damit auch der schrittweise Übergang der Soros-Strukturen von der Tätigkeit im gesellschaftlichen Bereich in die "große Politik" vollzogen. Laut Presseangaben hat Soros bis 2014 über 200 Millionen Dollar zumeist Direktinvestitionen in Rumänien getätigt.

Erfolge konnte er mit den Wahlen von 2004 erzielen. Sandra Pralong, 1990 von der US-amerikanischen Newsweek gekommen, wurde zur Direktorin der Soros-Stiftung in Rumänien. Sie war zugleich Beraterin des Staatspräsidenten Constantinescu. Aktuell ist sie Beraterin von Präsident Johannis, der sich im November zur Wiederwahl stellt. Sie sichert unter anderem die Verbindung zwischen den NGOs von Soros und der Präsidentschaft. Alin Teodorescu, der erste Leiter der "Gruppe für gesellschaftlichen Dialog", war zwischen 2000 und 2004 Leiter der Kanzlei des Ministerpräsidenten Adrian Năstase und ist 2004 ins Parlament eingezogen. Renate Weber, die dem Direktionsrat der Soros-Stiftung von 1998  bis 2004 vorstand, wurde Beraterin von Präsident Băsescu für die Bereiche Gesetzgebung und Verfassung und wurde 2007 Mitglied des EU-Parlaments. Alle bisherigen rumänischen Staatspräsidenten nach 1989 hatten mindestens einen Berater aus den Soros-Strukturen.

In der Folgezeit sind aus den zwölf Soros-Organisationen weitere gebildet worden. Sie reichen vom "Soros Advising and Placement Center", das Auswahl, Studium und Einsatz vor allem Jüngerer vornimmt, über die "Union für die Rekonstruktion Rumäniens", dem "Zentrum für wirtschaftliche Entwicklung", Menschenrechts-Zentrum, die "Stiftung Concept", "Pro-Demokratie" bis zur "Rumänischen Akademischen Gesellschaft". Ihr Einfluss erfasst die wichtigsten Bereiche in der Gesellschaft und Politik.                      

Diese und die anderen ausländischen Stiftungen, besonders die US-amerikanischen, dominieren weitgehend den Prozess der Meinungsbildung sowie der Politikentwicklung und -gestaltung im Lande. Sie sind als Denkfabriken und "Hilfsorganisationen", als selbständige Stiftungen oder Ableger US-amerikanischer Denkfabriken und Organisationen tätig. Sie werden als philanthropische Strukturen ausgewiesen, dienen aber in Wirklichkeit ausschließlich politischen Zielen – auch in Absprache mit den Regierungsinstitutionen der USA und unterstützt von der US-Botschaft in Bukarest.

Die Liste reicht vom Aspen-Institut über die Romanian-American Foundation, German Marshall Fund/Balkan Trust for Democracy bis zur RAND Corporation und vielen anderen. Sie decken die wichtigsten Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik, der Wirtschaft und Kultur ab.                                                                                                            

Große Bedeutung wird der Entwicklung einer neuen Politikergeneration beigemessen. Zentrale Rolle spielen dabei die Soros-Strukturen, die auch in diesen Fragen mit den anderen Organisationen zusammenarbeiten, einschließlich der Rumänisch-Amerikanischen Universität, die zur Rumänisch-Amerikanischen Stiftung für die Förderung von Bildung und Kultur gehört.

Seit 2008 ist der Black Sea Trust for Regional Cooperation (BST) mit Sitz in Bukarest tätig. Er wird als eine Stipendieninitiative ausgewiesen, die vom German Marshall Fund mit Unterstützung der Agentur der USA für Internationale Entwicklung (USAID), dem rumänischen Außenministerium und der US-Regierung ins Leben gerufen wurde. Ab 2011 erhielt BST Unterstützung auch von der Robert-Bosch-Stiftung. In einer Selbstdarstellung wird darauf hingewiesen, dass ihre Tätigkeit auf der Grundlage politischer Programme gestaltet wird. Gleichzeitig hat sie Programme für die Entwicklung von Führungskräften aufgestellt. Die BST wird "auch weiterhin regionale Ansichten zu Themen fördern, die sowohl für die Region als auch für die internationale Gemeinschaft von Bedeutung sind, wie zum Beispiel Sicherheit, Demokratie und europäische Nachbarschaftspolitik", heißt es in ihren Dokumenten. Was darunter zu verstehen ist, zeigt ein Thema, das 2016 zu einem Schwerpunkt der Arbeit gemacht wurde: "The Foreign Policy Romania – Comparative study of Russian pressure and propaganda in Eastern Europe" (Die Außenpolitik Rumäniens – vergleichende Studie des russischen Drucks und Propaganda in Osteuropa).

Der Prozess der Erarbeitung der politischen Strategien und der politischen Meinungsbildung in Rumänien wird weitgehend durch ausländische Stiftungen dominiert. Die Stiftungen und die Sicht der USA sind dabei bestimmend. Rumänische Stiftungen auf diesen Gebieten sind zumindest finanziell von ausländischen Geldgebern abhängig und sind in Übereinstimmung mit deren Grundsätzen und Zielen tätig. Es wird ein neoliberaler Transformationsprozess des Menschen, seines Denkens und Verhaltens verfolgt. Die ausländischen Stiftungen, NGOs und sonstigen Strukturen verfügen über die Meinungsmacht. Die tatsächlichen Interessen des Landes und seiner Bürger werden nur dann akzeptiert, wenn sie durch das ideologische und politische Sieb der Stiftungen passen. Unter diesen Gesichtspunkten sind auch die politischen Ereignisse dieses Jahres (Sturz der Regierung, Neuwahlen und Präsidentenwahlen) einzuordnen und zu werten.