Großbritannien begibt sich in den Wahlkampf. Das britische Unterhaus wurde in der Nacht zum Mittwoch aufgelöst. Binnen der kommenden 25 Tage wird es keine gesetzgeberische Tätigkeit geben. Premierminister Boris Johnson konnte sein Wahlversprechen, den Brexit fristgerecht zum 31. Oktober zu vollziehen, nicht einhalten.
Seinem Ansinnen nach Neuwahlen kam das Parlament nach mehreren gescheiterten Anläufen vor einer Woche schließlich nach. Diese werden am 12. Dezember stattfinden. Regulär hätte erst wieder im Jahr 2022 gewählt werden sollen. In Großbritannien muss bei Wahlen das gesamte Parlament neu gewählt werden.
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Johnson hofft, dass die Wahlen eine Wende im langwierigen Brexit-Streit bringen werden. Im britischen Unterhaus war er mit dem mit Brüssel neu verhandelten Brexit-Abkommen gescheitert. Die EU hatte daraufhin eine Verlängerung bis zum 31. Januar gewährt, um einen harten Brexit, einen EU-Austritt ohne Abkommen, zu verhindern.
Ökonomen befürchten einen Stillstand in Großbritannien, wenn das Land Ende Januar den Brexit vollzieht. Dieser könnte elf Monate andauern, ehe es zu einem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien käme – denn dieses bedarf der Zustimmung aller 27 verbleibenden EU-Staaten, und es handelt sich nicht um ein normales Abkommen. Hier geht es demnach nicht um die wirtschaftliche Konvergenz, sondern um eine Lösung für die Divergenz. Bis zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada hat es sieben Jahre gedauert.
Oppositionsführer Jeremy Corbyn warf seinem Kontrahenten Johnson in seiner ersten Wahlkampfrede vor:
Bei dieser Wahl versucht Boris Johnson, den Brexit zu missbrauchen, um unser nationales Gesundheitssystem (NHS) und die Werktätigen dieses Landes zu verkaufen.
Damit spielte er auf bereits im Geheimen laufende Verhandlungen zwischen London und Washington über den Medikamentenhandel an. Der britische Premier würde damit das britische Gesundheitssystem verscherbeln. Johnson hingegen kritisiert an Corbyn, keine klare Brexit-Strategie zu haben, falls dieser mit seiner Labour-Partei als Sieger aus der Wahl hervorginge.
Für Corbyn stellt sich die Wahl zwischen einem Verlassen der EU mit einem "vernünftigen Abkommen mit der EU" oder einem Verbleib in dem Staatenbündnis. Eine Wiederholung des Brexit-Referendums von 2016 werde es nicht geben.
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