von John Laughland
Doch genau das hat das Europäische Parlament letzte Woche getan, als es einen Beschluss über "die Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas" verabschiedete. Der Text beweist, dass das Ergebnis nur billige Propaganda ist, wenn Gesetzgeber versuchen, Historiker zu sein.
Die Gefahren, die sich aus der Verwendung der Legislative zur Geschichtsschreibung ergeben, sind noch größer, wenn, wie in diesem Fall, der Zweck des Beschlusses polemisch ist. Die allgemeine Idee des Textes ist, dass sich die Europäer an ihre schreckliche Vergangenheit erinnern müssen, um sie in Zukunft nicht zu wiederholen: Jeder weiß, dass das europäische Projekt aus den Ruinen des Zweiten Weltkriegs geboren wurde.
Aber das Ziel dieser Resolution ist es, die übliche Erinnerung an die Nationalsozialisten und den Holocaust zu rekonstruieren, um die Erinnerung an den kommunistischen Totalitarismus mit dem Nazismus gleichzusetzen. Der Kommunismus, so heißt es in der Resolution, war der ideologische Zwilling des Nationalsozialismus, und die UdSSR trägt dieselbe Schuld am Kriegsbeginn wie Deutschland.
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Mit 31 Verweisen auf die Sowjetunion, den Kommunismus und den Stalinismus gegenüber nur 19 Verweisen auf den Nazismus und das nationalsozialistische Deutschland beklagt die Resolution, dass das Bewusstsein für die Verbrechen des Kommunismus nicht scharf genug sei. Mit nicht weniger als fünf Verweisen auf den Molotow-Ribbentrop-Pakt vom 23. August 1939 behauptet sie,
dass der Krieg als unmittelbare Folge des auch als 'Hitler-Stalin-Pakt' bezeichneten berüchtigten Nichtangriffsvertrags zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und der Sowjetunion vom 23. August 1939 und seiner geheimen Zusatzprotokolle ausbrach, in deren Rahmen die beiden gleichermaßen das Ziel der Welteroberung verfolgenden totalitären Regime Europa in zwei Einflussbereiche aufteilten.
Offenbar agieren die Verfasser der Resolution in Unkenntnis darüber, dass sie mit dieser Gleichsetzung Ergebnisse der Nürnberger Prozesse ablehnen, die sie an anderer Stelle mit Zustimmung zitieren. Die Nazi-Führer wurden wegen des Verbrechens der Planung und Durchführung eines Angriffskrieges vor Gericht gestellt; kein anderer Staat wurde dessen beschuldigt oder dafür verurteilt.
Als der Generalstaatsanwalt, der Amerikaner Robert Jackson, aufstand, um seine Eröffnungserklärung abzugeben, bezog er sich auf das Privileg, "den ersten Prozess in der Geschichte wegen Verbrechen gegen den Frieden der Welt" zu eröffnen. Nur Deutsche saßen auf der Anklagebank: Die Sowjets waren wie die anderen Verbündeten der Antihitlerkoalition Ankläger. Über neun Monate später, als die Richter ihre Urteile fällten, entschieden sie:
Einen Angriffskrieg auszulösen ist nicht nur ein internationales Verbrechen. Es ist das höchste internationale Verbrechen, das sich nur dadurch von anderen Kriegsverbrechen unterscheidet, dass es das angesammelte Übel des Ganzen in sich birgt.
Auf der Grundlage der neuen Regel gegen Aggressionskriege wurden 1945 die Vereinten Nationen mit der UdSSR als einem der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates gegründet, die die Welt in Zukunft vor Angriffskriegen schützen sollen. Wenn, wie das Europäische Parlament jetzt feststellt, die UdSSR tatsächlich genauso schuldig war wie Deutschland, weil sie den Krieg begonnen hat, dann sollte logischerweise die UNO, die Grundlage des heutigen internationalen Systems, als kriminelle Organisation aufgelöst werden.
Diese revisionistische Behauptung, Hitler und Stalin hätten sich beide des Kriegsbeginns schuldig gemacht, hält der Prüfung nicht stand. Im Gegenteil, die politischen Anführer der damaligen Zeit wie auch spätere Historiker bestätigten, dass die Geschichte des Kriegsausbruchs nicht am 23. August 1939 begann, sondern ein Jahr zuvor, am 28. und 29. September 1938. Damals haben sich Großbritannien und Frankreich auf schändliche Art mit Italien und Deutschland geeinigt, und infolgedessen konnte Hitler die Tschechoslowakei zerlegen. Dies geschah "ordnungsgemäß", als Hitler zuerst das Sudetenland und dann im März 1939 ganz Böhmen und Mähren (d.h. einschließlich Prag) besetzte. Zu diesem Zeitpunkt versuchten Großbritannien und Frankreich, den Schaden, den sie durch ihre eigene Feigheit mitverursacht hatten, wiedergutzumachen, indem sie Polen eine Sicherheitsgarantie gaben und mit Krieg drohten, sollte Deutschland auch dieses Land angreifen.
In den folgenden Monaten nahmen Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion schwierige Verhandlungen auf, um zu versuchen, ein Anti-Hitler-Bündnis zu schmieden. Es herrschte großes Misstrauen, weil die Sowjets überzeugt waren, dass die kapitalistischen Mächte in München aktiv versucht hatten, Hitler zum Angriff auf die Sowjetunion zu lenken. Dennoch kündigte Stalin im August 1939 in geheimen Verhandlungen an, dass er bereit sei, eine Million sowjetische Soldaten einzusetzen, um der deutschen Bedrohung zu begegnen. Das waren mehr Soldaten, als Hitler hatte, und das hätte ihn aufhalten können: Wenn dieser Plan angenommen worden wäre, wäre der Krieg nie ausgebrochen.
Der Plan scheiterte an der polnischen Unnachgiebigkeit. Die von den Sowjets vorgeschlagene Strategie erforderte die Stationierung eines Teils ihrer massiven Abschreckungskräfte auf polnischem Territorium: Vorzugeben, Polen ohne Truppen dort zu verteidigen, hätte wenig Sinn ergeben. Doch der Hass Polens auf die Sowjetunion war zu groß. So, wie Churchill nach München zu Neville Chamberlain gesagt haben soll: "Du hattest die Wahl zwischen Krieg und Schande. Du hast dich für die Schande entschieden, und nun wirst du Krieg haben", so könnte man heute zu Polen sagen: "Du hattest die Wahl zwischen sowjetischen Truppen und Krieg; du hast den Krieg gewählt, und du hast sowjetische Truppen bekommen" (1945).
Das Scheitern der Verhandlungen im Sommer 1939 überzeugte die Sowjets davon, dass der Westen mit Polen gegen sie intrigierte. Sicherlich war die Unterzeichnung des Nichtangriffspaktes zwischen Stalin und Hitler ein zynischer Spielzug in einem grotesken diplomatischen Pokerspiel zwischen den Großmächten. Aber während die verschiedenen Seiten einander misstrauisch beäugten, gab es in einem Meer von Unbekannten doch einen bekannten Faktor: Hitler wollte bald wieder zuschlagen und Krieg führen, um seinen Willen durchzusetzen. Die Idee, dass es Stalin war, der stattdessen entschlossen war, einen Krieg zu beginnen, kam weder damals noch in den folgenden Jahren auf. Das ist reine Fiktion.
Die Weigerung der Polen, den sowjetischen Plan zu akzeptieren, erklärt sich vielleicht aus ihrem zweideutigen Verhältnis zu Hitler. Polen hatte 1934 einen Nichtangriffspakt mit Nazi-Deutschland unterzeichnet, dasselbe taten Lettland und Estland im Juni 1939 (diese Pakte werden im Beschluss des Europäischen Parlaments nicht erwähnt). Viel schlimmer noch, Polen war 1938 aktiv an der Zerstückelung der Tschechoslowakei beteiligt, als es sich den nationalsozialistischen Kräften anschloss, um mit der schlesischen Stadt Teschen (Cieszyn) Teile des tschechischen Territoriums einzunehmen. Natürlich wird auch diese unbequeme Tatsache im Beschluss nicht erwähnt.
In Wahrheit ist die Resolution nichts anderes als ein kitschiges Stück Russophobie. Sie begnügt sich nicht nur mit Verzerrung der Geschichte, sondern verfälscht auch die Gegenwart, indem sie behauptet, dass Russland heute "weiterhin kommunistische Verbrechen weißwäscht und das totalitäre Sowjetregime verherrlicht". Es gibt keine Beweise für diese Behauptung, die durch die Zeremonie im Jahr 2017 anlässlich des 100. Jahrestages der bolschewistischen Revolution widerlegt wird. Dort weihte Präsident Putin eine "Mauer der Trauer" ein, ein Denkmal für die Opfer des Terrors. Im Jahr 2008 nahmen er und der damalige Präsident Medwedew am Staatsbegräbnis Alexander Solschenizyns teil, des Autors des "Archipel Gulag", den Putin vor dessen Tod mehrmals getroffen hatte.
Man ist versucht, sich über einen so düsteren Text zu ärgern. Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass ihn höchstwahrscheinlich nie jemand lesen wird, denn der Beschluss wurde im gleichen traurigen und undurchdringlichen Büro geschrieben, in dem man normalerweise über EU-Rechtsvorschriften spricht. Die Sprache des Ediktes ist das Gegenteil der lebendigen Sprache der realen Geschichte, die von echten Historikern geschrieben wird.
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Übersetzt aus dem Englischen. John Laughland hat an der Universität Oxford in Philosophie promoviert und lehrte an Universitäten in Paris und Rom. Er ist Historiker und Spezialist für internationale Angelegenheiten.