Nunmehr 17 Monate dauert die Suche der Londoner Metropolitan Police nach den Schuldigen an der sogenannten Skripal-Vergiftung. Bislang hat sie die beiden russischen Staatsbürger Ruslan Boschirow und Alexander Petrow der unmittelbaren Ausführung der Tat beschuldigt. Die Suche nach mutmaßlichen Hintermännern in den obersten Etagen der russischen Führung bleibt bislang allerdings ohne nennenswerte Ergebnisse.
So sagte dem Guardian zufolge der stellvertretende Kommissar der Metropolitan Police und Leiter der britischen Anti-Terror-Behörde, Neil Basu, dass die Untersuchung des Angriffs auf Skripal fortgesetzt werde. Er sagte auch, dass die Probleme, die mit der Erhebung von Anklagen wegen des Angriffs verbunden sind, komplex seien.
Man müsste beweisen, dass er (Putin) direkt beteiligt ist", sagte er.
Um einen Europäischen Haftbefehl zu bekommen, müssten die Ermittler einen Fall haben, der in Großbritannien zur Anklage gebracht werden kann. Einen solchen Fall gebe es aber nicht, so Basu. Er fügte hinzu:
Wir sind Polizisten, also müssen wir nach Beweisen suchen. Es gab eine Vielzahl von Spekulationen darüber, wer verantwortlich ist, wer die Befehle erteilt hat, basierend auf dem Fachwissen der Menschen über Russland. Wir aber brauchen Beweise.
Britische Staatsanwälte sagten, es gebe genügend Beweise, um die beiden Russen Petrow und Boschirow der Verschwörung zum Mord am ehemaligen Mitarbeiter der russischen Militäraufklärung (GRU) Sergej Skripal mit dem Gift Nowitschok anzuklagen. Laut der britischen Investigativ-Plattform Bellingcat sind sie GRU-Offiziere. Im Zuge der Verschwörung sollen auch Skripals Tochter Julija und der Polizist Nick Bailey sowie die britische Staatsbürgerin Dawn Sturgess vergiftet worden sein. Sturgess starb, nachdem sie laut Polizei einen mit Gift befüllten Parfümbehälter – die angebliche Tatwaffe – geschenkt bekam, den ihr Freund Charlie Rowley zuvor gefunden hatte.
Wir streben die Auslieferung der beiden in der Pressekonferenz Genannten an, damit sie in diesem Land angeklagt werden können. Die gesamte Ermittlung ist immer noch eine fortdauernde strafrechtliche Ermittlung", versicherte Basu.
Während der britische Guardian im Teaser des Artikels die alte Behauptung der britischen Geheimdienste wiederkäut, Putin sei "wahrscheinlich" in die Skripal-Sache involviert, bewerteten russische Medien die Meldung als Eingeständnis der Unfähigkeit der britischen Behörden, Russlands Schuld an der versuchten Skripal-Vergiftung zu beweisen.
Der damalige britische Außenminister Boris Johnson hat sich im März 2018 mit am lautesten in der britischen Politik mit antirussischer Stimmungsmache profiliert und Russland "Bösartigkeit" unterstellt. Russland habe verbotene chemische Waffen auf britischem Boden eingesetzt, so der gängige Vorwurf, der auch für US-Sanktionen gegen das Land genutzt wurde.
Viktoria Skripal: Nur Hausvergiftung
Sergej Skripals Nichte Viktoria hat ihre eigene Erklärung für die mysteriöse Vergiftung ihres Onkels und ihrer Cousine. Es handele sich zunächst um eine gewöhnliche Hausvergiftung, die dann aus irgendeinem Grund den russischen Sicherheitsdiensten zugeschrieben wurde, sagte sie in ihrem jüngsten Fernsehinterview.
Doch dass die britische Polizei Schwierigkeiten hat, Russlands Schuld zu beweisen, sei vorhersehbar gewesen. "Nun haben wir es. Wie ich vom ersten Tag an sagte, ist all dies aus den Fingern gesaugt worden, ist all dies kritisiert worden und entspricht all dies keinerlei Logik", kommentierte sie die Erklärung von Scotland Yard.
Sie erzählte auch, dass sie telefonischen Kontakt mit Sergej Skripal hatte. Er und seine Tochter wohnen seit der Vergiftung abgeschirmt von der Öffentlichkeit an einem geheimen Ort. Es gibt kaum Bilder von ihm, Kontakt mit dem russischen Konsulat wurde verweigert. Russland wirft Großbritannien deshalb Entführung vor.
Sacharowa: Das war Propaganda
Am 1. Juli unterschrieb US-Präsident Donald Trump einen Erlass für weitere US-Sanktionen gegen Russland, die mit der angeblichen Skripal-Vergiftung begründet werden. Die neuen Sanktionen sollen es internationalen Finanzinstitutionen (etwa dem IWF, der Weltbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und anderen) verbieten, Russland Kredite zu gewähren und sonstige Finanzhilfen zu leisten.
Das russische Außenministerium kritisierte den Schritt scharf. Die offizielle britische Version stehe in keinem Zusammenhang mit der Realität und sei durch die Sanktionen ein weiteres Mal diskreditiert, so die Pressesprecherin des Außenministeriums Marija Sacharowa in einem Fernsehinterview am 4. August. Sie hatte zuvor darauf hingewiesen, dass die neuen Sanktionen eine Provokation sind, die propagandistische Wirkung haben sollen.