Eine langfristige Lösung für den Umgang mit der Seenotrettung von Migranten im Mittelmeer wird seit Jahren gesucht. Die Verhandlungen sind bisher stets bei der Frage nach der Verteilung Asylsuchender auf alle EU-Länder ins Stocken geraten. Länder wie Ungarn und Polen wollen sich nicht dazu verpflichten lassen, Migranten aufzunehmen. Italien und Malta schließen zudem ihre Häfen für Schiffe privater Seenotretter.
Seehofer für "temporäre Übergangsregelung" zur Verteilung der aus dem Mittelmeer Geretteten
Am Donnerstag fand in Helsinki ein Treffen der EU-Innenminister statt. Es endete aber ohne Durchbruch. Eine europäische Übergangsregelung, vorgeschlagen von Deutschland und Frankreich, stieß auf wenig Unterstützung bei den anderen EU-Mitgliedsstaaten. Neben Luxemburg zeigten sich lediglich Portugal und Finnland bereit, die Idee zu unterstützen.
Die geplante Übergangsregelung soll verhindern, dass Italien und Malta Schiffen mit geretteten Menschen die Einfahrt in ihre Häfen untersagen. Beide Staaten hatten dies in der Vergangenheit mehrfach getan, weil sie befürchteten, mit der Verantwortung für die Migranten von den EU-Partnern alleingelassen zu werden. Infolgedessen harrten Menschen auf privaten Rettungsschiffen oft tagelang an Bord aus, bis eine Lösung gefunden wurde.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte vor dem Treffen in Helsinki angekündigt, er wolle für eine "temporäre Übergangsregelung" zur Verteilung der Geretteten werben. Feste Aufnahmequoten bestimmter Länder, wie es Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) neulich vorgeschlagen hat, sollte es seiner Ansicht nach aber nicht geben. Damit wolle er verhindern, "dass es als faktische Grenzöffnung begriffen wird", sagte Seehofer am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichts 2018 der Bundespolizei.
Migranten vor dem Ertrinken zu retten und sie anschließend in einen sicheren Hafen zu bringen, sei eine Selbstverständlichkeit, erklärte der Innenminister vor seiner Abreise nach Helsinki. Er betonte jedoch:
Das muss nicht zwingend ein europäischer Hafen sein.
Auch die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Dienstag in ihrer Rede vor dem EU-Parlament angekündigt, einen neuen Versuch unternehmen zu wollen, den jahrelangen Streit um die EU-Migrationspolitik zu lösen. Die Europäische Union müsse irreguläre Migration reduzieren und gegen Schleuser vorgehen, aber gleichzeitig das Asylrecht wahren und die Situation von Flüchtlingen – beispielsweise durch sogenannte "humanitäre Korridore" – verbessern. Dies würde heißen, dass man den schutzbedürftigen Menschen einen sicheren Weg nach Europa bietet.
Wie der Ad-hoc-Mechanismus genau aussehen könnte ist nicht bekannt
Am Donnerstag hieß es nun in Helsinki, die Gespräche sollen in den nächsten Wochen fortgesetzt werden. Innenminister Seehofer rechnet sogar mit einer Einigung – in der ersten Septemberwoche bei einem EU-Sondertreffen auf Malta. Er sei "ziemlich zuversichtlich", dass man das hinbekomme.
Der französische Innenminister Christophe Castaner sagte am Donnerstag nach dem Treffen, am kommenden Montag werde es ein Treffen von Innen- und Außenministern in Paris geben. Ziel sei es, ungefähr 15 EU-Staaten zu einer Teilnahme an einem Ad-hoc-Mechanismus zu bewegen. Wie der von Deutschland und Frankreich geplante Übergangsmodus genau aussehen könnte, ist bislang aber nicht bekannt.
Das Thema Migration hat wieder an Brisanz gewonnen, nachdem die deutsche Kapitänin Carola Rackete unerlaubt mit Dutzenden von Migranten an Bord der Sea-Watch 3 nach Italien gefahren war. Gegen sie wird daher nun in Italien ermittelt.
Erst vor ein paar Tagen forderte die Kapitänin dieses Rettungsschiffes erneut in einem Interview, alle Flüchtlinge aus Libyen zu retten.
Wir hören von einer halben Million Menschen, die in den Händen von Schleppern sind oder in libyschen Flüchtlingslagern, die wir rausholen müssen. Ihnen müssen wir sofort helfen bei einer sicheren Überfahrt nach Europa", sagte Rackete in einem Interview mit der Bild.
Kritik und Ablehnung in Deutschland und Österreich für Racketes Forderungen
Darüber hinaus forderte Rackete die Aufnahme von Klima-Flüchtlingen. Ihre Äußerungen stießen auf scharfe Kritik und Ablehnung in Deutschland und Österreich. So sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Rackete schieße "weit über das Ziel hinaus."
Ich lehne das klar ab. Bei allem Verständnis für die Aufnahme von in Seenot geratenen Flüchtlingen: Wir können nicht eine halbe Million Wirtschaftsflüchtlinge oder solche, die aus Armut nach Europa kommen, ohne Weiteres bei uns aufnehmen", so Herrmann in der Bild.
Er verwies dabei auf die letztlich geringe Anerkennungsquote für Asylsuchende aus Afrika. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) ging noch einen Schritt weiter und nannte Racketes Aussagen "verantwortungslos". Auch in Österreich sorgten die Aussagen der Kapitänin des deutschen Rettungsschiffes für scharfe Reaktionen. So forderte der ehemalige österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), die NGO-Schiffe der Flüchtlingsretter einzubehalten und zu verschrotten. In einem Interview mit der österreichischen Internet-Seite Oe24 sagte Kickl:
Das ist der Missbrauch eines Begriffs, des Begriffs 'Seenotrettung'. Was dort passiert, ist ein brutales Schlepperwesen.
Man dürfe "diese Leute" retten, müsse sie aber dorthin zurückbringen, wo sie herkommen. Die Schlepper würden sich die Situation genau ansehen und sich über "nützliche Idioten" wie Rackete freuen. Laut Kickl sei Rackete keine "Ikone der Humanität", zu der sie manche machen, sondern vielmehr "eine Ikone der Blödheit".
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