Zwischen Belgrad und Pristina tobt seit Monaten ein Zoll-Streit. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Denn die kosovo-albanische Regierung weigert sich – unter anderem trotz klarer diesbezüglicher Forderungen aus der EU und aus Washington – ihre Entscheidung rückgängig zu machen. Bosnien-Herzegowina ist ebenfalls betroffen, das kann aber mehr oder weniger als Kollateral-Schaden betrachtet werden. Man werde die Zölle in Höhe von 100 Prozent auf Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina erst dann aufheben, wenn Serbien Kosovos Unabhängigkeit anerkenne, heißt es stets von Seiten des kosovarischen Premierministers Ramush Haradinaj. Serbien weigert sich aber bis jetzt beharrlich, diesen Schritt zu gehen.
Gesprächen sollen "vorrangig dem Meinungsaustausch dienen"
Der Streit, durch den die Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina über eine Normalisierung der Verhältnisse festgefahren sind, soll eines der Themen des Treffens in Berlin sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreich Staatschef Emmanuel Macron kommen mit den Staats- und Regierungschefs von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Slowenien sowie der für die Vermittlung im Kosovo-Konflikt zuständigen EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini zusammen.
Am Freitag letzte Woche sagte eine deutsche Regierungssprecherin, für beide sei die Stabilität der Region von besonderer Bedeutung. Die Gesprächen sollten "vorrangig dem Meinungsaustausch dienen". Ziel sei es zunächst einmal, "mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen". Aus Élyséekreisen hieß es, Frankreich wolle in der Region wieder stärker Flagge zeigen.
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Vorrangig dürfte es darum gehen, jenen Ländern, die immer noch auf einen EU-Beitritt hoffen, zu signalisieren, dass man sie nicht vergessen hat. Denn die Länder Südost-Europas kooperieren immer stärker auch mit China. Die Sorge über einen ebenfalls immer größer werdenden Einfluss Russlands in Serbien oder im serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas – Republika Srpska – wird gleichfalls immer lauter hörbar. Es verging zuletzt fast kein Monat, ohne dass in Belgrad ein "Experte" oder ein Diplomat seine Besorgnis über den Einfluss Russlands auf das südosteuropäische Land geäußert oder gut gemeinte Ratschläge an die serbischen Politiker zu außenpolitischen Themen gerichtet hatte. Erst kürzlich signalisierte der ehemalige Beauftragte des US-Außenministeriums für Zentral- und Südzentraleuropa, Hoyt Brian Yee, dass Serbien nicht zwischen zwei Stühlen sitzen könne.
Kosovo-Lösung soll ohne weitere Verschiebung der Grenzen erfolgen
Zunächst soll in Berlin aber ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Merkel und dem Premierminister von Nordmazedonien, Zoran Zaev, stattfinden. Skopje erhofft sich nach der Beilegung des Namensstreits mit Griechenland den baldigen Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen. Doch Paris ist derzeit dagegen. Macron möchte derzeit eher die EU reformieren als eine Erweiterung einleiten. Ein Kompromiss könnte die Verlegung der Entscheidung darüber auf einen Zeitpunkt nach den EU-Wahlen darstellen.
Bezüglich der potenziellen Lösungsmöglichkeit der Kosovo-Frage wird Berlin sicherlich nochmals deutlich signalisieren, dass ein denkbarer Kompromiss im Sinne eines Gebietsaustauschs zwischen den zwei Seiten nicht in Frage kommt. Serbien lehnt es immer noch ab, die 2008 selbstausgerufene Unabhängigkeit seiner Provinz anzuerkennen. Zuletzt kamen aber Berichte über eine mögliche Lösung auf – eben der Austausch von Territorien. Belgrad könnte die drei mehrheitlich von albanisch-stämmiger Bevölkerung bewohnten Gemeinden Preševo, Medvedja und Bujanovac in Serbien für die nördlichen Teile im Kosovo, in denen mehrheitlich Serben leben, hergeben, und somit dann letztlich das Kosovo als Staat anerkennen.
Deutschland ist aber strikt gegen weitere Grenzverschiebungen auf dem Balkan. Die USA und einige Vertreter der EU hatten sich in den letzten Monaten dafür offener gezeigt. Russland hatte ebenfalls betont, dass man jeder Lösung zustimmen würde, die von beiden Seiten akzeptiert wird. Doch mit dem Gipfel in Berlin will man Belgrad nochmal vor Augen führen, dass es nur eine Lösung gäbe: die Anerkennung des Staates Kosovo in seiner jetzigen Form. Nur so könne Belgrad auf eine Aufnahme in die EU hoffen.
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