Alt-Kanzler Gerhard Schröder hat die Drohung der USA kritisiert, Geheimdienstinformationen zurückzuhalten, falls Berlin chinesische Firmen beim Aufbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes beteiligt. "Das ist eine so unverfrorene Erpressung", sagte der SPD-Politiker am Dienstagabend bei einer Handelsblatt-Veranstaltung in Berlin. Die Drohung aus Washington bedeute: "Weil ihr nicht pariert, sagen wir es euch nicht." Die US-Regierung erwarte aus rein wirtschaftspolitischen Gründen, dass sich Deutschland an ihre Seite begebe.
US-Botschafter Richard Grenell soll nach einem Bericht des Wall Street Journal in einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) angekündigt haben, der Austausch von Geheimdienstinformationen und anderer Daten könne nicht mehr im bisherigen Umfang erfolgen, wenn der chinesische Konzern Huawei oder andere chinesische Anbieter beim Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland beteiligt würden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte daraufhin gesagt, die Regierung wolle sich beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes mit seinen Partnern absprechen. Zentral sei die Sicherheit beim 5G-Ausbau.
Das Weiße Haus unterstellt dem chinesischen Telekom-Riesen Huawei, über seine Telekom-Produkte spionieren oder sabotieren zu können. Beweise dafür liegen aber nicht vor.
In China bezeichnete die parteinahe Zeitung Global Times den Brief des US-Botschafters am Mittwoch als "selbstsüchtig" und "überheblich". Europa müsse den Mut haben, sich von den USA zu distanzieren und gleichzeitig Beziehungen zu China und Russland aufbauen. "Die Welt verändert sich, und so sollte sich die Strategie Europas verändern", schrieb das Blatt weiter. Deutschland würde von Huawei profitieren, da durch den chinesischen Konzern die Konstruktion eines 5G-Netzes günstiger werde und schneller umgesetzt werden könne.
Schröder sagte, wenn er derzeit Kanzler wäre, würde er dafür streiten, "dass Europa eine relative Unabhängigkeit von der amerikanischen Außen- und Wirtschaftspolitik erreicht". Man habe andere Interessen bezogen auf China. "Wir haben auch andere Interessen bezogen auf Russland", sagte Schröder, der auch Aufsichtsratschef bei Nord Stream, dem Betreiber der gleichnamigen deutsch-russischen Ostseepipeline, ist. Russland sei als Markt wichtig für Deutschland. Es sei aber auch außenpolitisch nötig, die Nähe zu Moskau aufrechtzuerhalten.
Wir können uns einem Russland-Bashing nicht anschließen, wie das die Amerikaner von uns erwarten."
Deutschland könne mit den großen Wirtschaftsmächten USA und China nur mithalten, wenn es die europäische Karte ziehe und Führung in Europa übernehme, sagte Schröder. Jedes europäische Land sei in Sachen Wirtschaftskraft ein Zwerg verglichen mit den USA und dem aufstrebenden China.
Und mit Zwergen geht man nicht immer freundlich um, sondern man stellt sie in den Garten."
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) Dieter Kempf. Er sagte der Passauer Neuen Presse, Deutschland könne nur im Verbund mit einem starken geeinten Europa in Zukunft China und den USA Paroli bieten. Entscheidend sei, dass Europa mit einer Stimme spreche: "Machen wir uns selbst klein oder lassen wir uns auseinanderdividieren, dann werden wir gegenüber den USA wie auch gegenüber China immer klein bleiben." Mit China befinde sich Deutschland "in einer System-Konkurrenz". Er halte "eine faktenbasierte Partnerschaft mit dem Land für belastbar".
Die EU-Kommission hatte als Reaktion auf das politische und wirtschaftliche Machtstreben Chinas am Dienstag einen Zehn-Punkte-Plan zur Stärkung der europäischen Interessen vorgelegt. Konkret schlägt die Brüsseler Behörde zum Beispiel vor, die Vergabe öffentlicher Aufträge stärker an Arbeits- und Umweltstandards zu knüpfen. Um die Sicherheit beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes zu gewähren, will die Kommission in Kürze einen gemeinsamen EU-Ansatz vorschlagen. Dabei dürfte es vor allem um den Umgang mit dem chinesischen Telekom-Riesen Huawei gehen.
Das neue strategische Konzept der EU-Kommission soll im Idealfall bereits Ende der kommenden Woche beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel gebilligt werden. Ob die zehn Punkte dann alle umgesetzt werden, gilt jedoch als fraglich.
(dpa/rt deutsch)